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SEGELCLUB HANSA MÜNSTER e.V.
Sport - Fahrtensegeln
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Nebel,

Strom und

Felseninseln

500 Meilen entlang der englischen Südküste

und zu den Kanalinseln

Ein Wort vorweg: Wenn eine vierköpfige Familie alljährlich auf Segeltörn geht, dann wird man hin und wieder mit Fragen nach dem "Warum" konfrontiert. Da sind die Meilenfresser, die stirnrunzelnd feststellen, warum man denn in fünf Urlaubswochen "nur" rund 500 Meilen "mache". Da sind besorgte Nachbarn und Familienangehörige, die sich um das Wohl der Kinder sorgen: "Kommen die denn auch zu ihrem Recht, während Ihr Euer Hobby durchzieht?" Und dann gibt es andere offensichtlich leidgeprüfte Freunde, die irritiert feststellen: "Segeln denn Eure Kinder wirklich immer noch mit? Wie kommt das?"

Diese und ähnliche Fragen sind für unsere SEESTERN-Crew beantwortet. Meine Frau Gudrun und ich segeln seit zwölf Jahren mit unseren heute 14- und 16jährigen Kindern Maren und Oliver zusammen. Erst auf Charterbooten, dann auf einem selbstgebauten sechs Meter langen Jollenkreuzer. Möglich war dies nur durch die Mitnahme eines Zeltes, dann aber durchaus auch schon mal vier oder fünf Wochen lang.

Seit dem Jahr 2000 steht die Familienyacht SEESTERN, ein 30 Jahre altes, bestens geeignetes Boot vom Typ Maxi 95, zur Verfügung. Diese Anschaffung gab Auftrieb:
Bornholm und Schwedens Südküste haben wir seitdem besucht, die Westschären und die nordfriesischen Inseln, London und in diesem Jahr eben die englische Südküste mit einem ausführlichen Abstecher zu den Kanalinseln.

Aber der in Meilen gesegelte Weg ist für uns nur ein Teil des Anliegens. Wir wollen unseren Kindern mehr als Meer zeigen. Deshalb blieben wir letztes Jahr ganze zwei Wochen im schönen Hafen an der Tower Bridge, weil London doch viel zu schade ist, um es in drei oder vier Landtagen "abzuhaken". So war es auch in diesem Jahr: Von Dover aus besuchten wir die Grafschaft Kent und die Kathedrale von Canterbury. Die englischen Seebäder waren uns ebenso wie die Großstadt Southampton, ebenso wie der Solent, wie Alderney, Guernsey und Jersey jeweils ein paar Tage wert. Danach freuten wir uns umso mehr auf Wellen und Wind, auf Segeln pur, auf spannende Navigation und die Lust des Ankommens. So standen in diesem Jahr 17 Tagen auf See ebenso viele Besichtigungs- oder schlicht Erholungstage gegenüber. Und angesichts dieser Palette hatte jeder von uns sein ganz eigenes Erfolgserlebnis: Der heute 14jährige Oliver, früher häufig von Übelkeit auf See geplagt, überraschte mich am Ende mit der erfreulichen Erkenntnis: "Papa, ich hab' in diesem Urlaub überhaupt nicht gekotzt!" Na bitte, es klappt eben doch mit dem Familienurlaub unter Segeln. Vielleicht in kleineren Schritten, aber immer für alle erfreulich. Und deshalb bleiben auch alle an Bord.

Start in Zeebrügge

Wie schon in früheren Jahren half uns auch 2005 eine befreundete Crew um Skipper Günter Voigt, unsere Pläne zu realisieren. So konnten wir die SEESTERN im belgischen Zeebrügge übernehmen und waren unserem ersten Ziel, der englischen Südküste, schon ein gutes Stück näher als vom Heimathafen Galamadammen im niederländischen Friesland aus. Die gleiche Strecke waren wir zudem im vergangenen Jahr gesegelt und hatten deshalb jetzt nicht das Gefühl, etwas zu verpassen. Der weitere Weg über Nieuwpoort nach Dunkerque verlief ohne besondere Vorkommnisse. Auf eine ganz besondere Wiederholung hätten wir allerdings gern verzichtet: Als ich am Tag der geplanten Überfahrt über den Ärmelkanal in Dunkerque morgens früh wach wurde, konnte ich im Hafen kaum die nächste Stegreihe erkennen. Mal wieder Nebel in Dunkerque!

Wir bleiben länger liegen, frühstücken und beraten. Nur ungern würden wir hier wie im letzten Jahr fünf Tage wegen schlechter Sicht festsitzen. Aber Radar haben wir immer noch nicht an Bord. Dafür wird der Nebel immer durchsichtiger, und der Hafenmeister erzählt uns von zwei Meilen Sicht weiter draußen. Sollten wir vielleicht doch der dahinrauschenden Tide nachfahren?

Nach Mittag legen wir ab. Die Tonnenreihe im Fahrwasser vor der Küste kann man so eben erkennen. Tendenz steigend! Wir nähern uns dem Verkehrstrennungsgebiet und legen die rechtwinklige Querung wie im vergangenen Jahr an. Spätestens hier sind wir zufrieden – das sind sogar deutlich mehr als zwei Meilen Sicht! Der Wind ist handig, die Laune steigt: England, wir kommen!

Leider hält diese Freude nicht lange an. Natürlich wissen wir, dass wir wegen des verspäteten Starts die letzten Meilen vor Dover einen Gegenstrom haben werden. Das haben wir einkalkuliert. Aber der Wind wird gegen Ende der Querung schnell schwächer, und die Sicht nimmt wieder ab. Keine Spur mehr von zwei Meilen. Bald sind es zwei Kabellängen, Tendenz abnehmend! Die Orientierung ist relativ einfach, angesichts der Nebelschallsignale der Heultonne vor den Goodwin-Sands und des dumpfen Getutes aus dem Verkehrstrennungsgebiet aber auch gespenstig. Bald haben wir keine 100 Meter Sicht mehr. Wie sollen wir dabei nach Dover hereinkommen?

Der GPS weist den Weg. Aufmerksam orten wir die Nebelsignale anderer Schiffe. Vermutlich eine Fähre kreuzt in einiger Entfernung unser Heckwasser – zu sehen ist nichts. Der Hafen von Dover hat eine östliche und eine westliche Einfahrt: Die östliche für die großen Fähren, die westliche für Katamaranfähren und die Sportschifffahrt. Beide Nebelhörner geben in der Seekarte verzeichnete unterschiedliche Signale. So fällt uns die Einordnung leicht. Knapp zwei Seemeilen vor dem Hafen nehme ich Kontakt mit Dover Port Control auf. Kein Problem, sagen die, wir helfen bei der Einfahrt.


Wollen wir hoffen, denken wir und zwingen uns zu Konzentration und Ruhe. Trotzdem überträgt sich die Anspannung auf die Kinder. Sie haben vergleichbaren Nebel noch nicht erlebt. Als der GPS einen Standort von 300 Metern vor der westliche Einfahrt ausweist, funke ich erneut Port Control an. Das Gespräch dauert einen Moment, und plötzlich höre ich meine eigene Stimme außerhalb des Bootes aus dem Nebel. Als ich aus der Kajüte auftauche, kann Gudrun am Ruder gerade ein Boot ausmachen, das mit flottem Tempo auf uns zu läuft. Auf dem Vordeck steht freundlich winkend der Mann, mit dem ich mich unterhalten habe. "We pick you", ruft er herüber, während sich das Boot der Harbour Patrol vor uns setzt. Aber der Versuch, uns die Hafeneinfahrt zu zeigen, schlägt fehl. Dort, wo er hin zeigt, sehen wir nur weiße Watte.

Da er noch einen "Kunden" hat, nimmt er uns kurzerhand wieder ein paar Kabellängen mit nach draußen. Eine holländische Yacht taucht auf, und wir formieren uns zu einer Dreierreihe. Dabei fahren wir dicht hintereinander, weil ich vor dem Holländer von dem Lotsenboot kaum noch das Heck sehe. Urplötzlich taucht neben mir eine schätzungs-weise 15 Meter hohe Wand auf. Wir passieren die Hafeneinfahrt. Selbst im weitläufigen Hafen ist die Sicht extrem schlecht. Wir werden vor der tidenabhängigen Marina entlassen, sehen aber das Tor zum Granville Dock offen stehen. Das lassen wir uns nicht zwei Mal sagen – nichts wie hinein in die geräumige Marina. Liegeplätze gibt's hier zum Aussuchen, und als ein freundlicher Nachbar beim Anlegen ein "Welcome in Dover" herüberstrahlt, fällt die Spannung von uns ab. Ein aufregender Start für den Urlaubstörn!

Zwei Tage in Dover – für die Ortserkundung der Stadt sowie für einen Ausflug durch die Grafschaft Kent zur Kathedrale von Canterbury – schließen sich an. Das quirlige Städtchen mit vielen Kontrasten gefällt uns. Jetzt sehen wir auch die riesigen Hafenanlagen, von denen gestern wirklich nichts zu bemerken war. Unglaublich! Und die Fahrt mit dem doppelstöckigen Linienbus bietet viele Einblicke in das englische Landleben, bevor wir über den mächtigen Kathedralenbau staunen und die Stärkungen eines Pubs in Anspruch nehmen.




Der Weg nach Eastbourne bietet erste Ausblicke auf das berauschende Küstenpanorama der englischen Südküste. Leichter Wind, der Tidenstrom zieht mit – da steuert auch Maren gern einmal die SEESTERN. Gudrun erzählt von ersten Besuchen hier als Schülerin vor dreißig Jahren. Mit einer Ferien-Sprachschule kam sie mehrfach hierher, kann sich an nette Anekdoten erinnern. Ein völlig neuer Sportboothafen ist inzwischen entstanden, und es wird noch immer daran gebaut. Ein Wohn- und Geschäftsviertel umrahmt die Marina. Leider ist der Supermarkt ganz am Ende der weitläufigen Anlage. Dafür sind die sanitären Anlagen spitze – wie übrigens überall in den hiesigen Häfen. Hier hat sich eine Menge positiv entwickelt.

Am nächsten Morgen wollen wir weiter. Strahlender Sonnenschein beim Frühstück, wir bereiten uns auf das Ablegen vor. Schnell noch einmal auf Toilette, doch als ich wiederkomme, fehlt die gegenüberliegende Häuserzeile. "Fog patches", vermeldete der Wetterbericht, und das war offensichtlich doch ernster gemeint, als wir es genommen haben. Nach den Erlebnissen vor Dover haben wir keine Lust auf eine Nebelfahrt nach Brighton. Der Tag in Eastbourne mit seiner architektonisch exotischen Pier (s.o.) entschädigt uns reichlich mit einem vielseitigen Strandfest und neuen Eindrücken vom Ortskern.

Ganz ohne Nebelfelder, dafür mit frischem Wind erreichen wir am nächsten Tag Brighton. Den Weg dahin säumen eindrucksvolle Klippen, denen die Engländer auch Namen gaben: Beachy Head und Seven Sisters erweisen sich als vorzügliche Fotomotive. In der riesigen Marina bekommen wir einen guten Liegeplatz an Ponton 25. Der Wind frischt auf, die Brecher schlagen bald über die gewaltige Mole. Für die nächsten Tage ist Starkwind von vorn abgesagt. Wir richten uns erst einmal auf die Erkundung des Ortes ein.

Die berühmte Pier von Brighton ist voll durchkommerzialisiert. Eine Einrichtung mit Kirmes, Spielhallen und Imbissbuden. An früheren viktorianischen Charme erinnert hier nichts. Wir vermissen auch die liebevoll gepflegte Blumendekoration, mit der uns die Seaside von Eastbourne bezaubert hatte. Dafür wandern wir durch ein altes, weitgehend im Originalzustand belassenes Aquarium, in dem wir sogar die Fütterung der Meeres-schildkröten filmen dürfen. Die unendliche Vielfalt unter Wasser, die Eleganz der Rochen, die Kraftpakete von Haien, der schier unendliche Reichtum an Farben und Formen – all' das erleben wir als Bereicherung unseres Segeltörns.

Auch Kultur und Technik boten Höhepunkte in Brighton: Der königliche Pavillon ließ uns teilhaben am Glanz des viktorianischen Hofes. Besonders eindrucksvoll: Nicht nur die königliche Tafel, sondern auch die Küche als Produktionsstätte erlesener Speisen kann dort besichtigt werden. Einfallsreiche Techniker sorgten für eine frühe Form von Wärmetauschsystem, das die Hähnchen quasi auf der Abluft des großen Herdes garen ließ. Den Rückweg zur Marina erleichterte uns ein Unikum der Technikgeschichte: Volks Railway, die erste elektrisch betriebene Eisenbahn Englands, befördert in Brighton heute noch Passagiere zwischen Strandpier und Marina. Solch ein technisches Unikum reizt mich ungeheuer – wir fahren mehrfach damit.

Planung im Tidenrevier: Wenn wir bei unserer Weiterfahrt Richtung Solent den Tidenstrom nutzen wollen, müssen wir Brighton bei ablaufendem Wasser verlassen. Angesichts der Distanz kämen wir jedoch ungefähr zum Niedrigwasser bei unseren nächsten Zielen Chichester Harbour oder Bembridge an. Nach einiger Überlegung entscheiden wir uns stattdessen für Portsmouth, ein Hafen, der jederzeit anzulaufen ist.

Seglerisch wird die Fahrt dorthin ein Genuss: Der Wind nimmt langsam, aber stetig zu, der Strom unterstützt uns ebenfalls. So macht das Spaß! Als wir durch die Bucht auf Portsmouth zulaufen, herrscht reger Schiffsverkehr. Marineboote, Motor- und Segelyachten, Frachter und vor allem die Hovercraft-Boote fordern alle Konzentration. Die Marina ist voll, aber der Hafenmeister weist uns einen guten Boxenplatz zu. Mit dem englischen Seglerpaar nebenan ergibt sich gleich ein netter Kontakt. Auch sie wollen bald zu den Kanalinseln aufbrechen. Gern nehmen wir Insidertipps entgegen.

Am nächsten Morgen erkunden Oli und ich die Innenstadt. Als echte Spürnase hat er schon früh einen Straßenmarkt mit günstigen Angeboten entdeckt. Ein ferngesteuertes Motorboot lockt ihn. Das wäre doch etwas für den nahenden Geburtstag.

Auch beim Vater bricht der Spieltrieb durch – wir erstehen das Teil für 25 Pfund und verstauen es erst einmal in der Kajüte. Nebeneffekt dieses Spaziergangs: Wir umrunden einen kleinen künstlich angelegten See, auf dem sich gerade rund zehn Modellyachten eine spannende Regatta liefern.

Hoch motiviert setzen wir danach Segel und treiben langsam Richtung Isle of Wight. Der Wind ist mau, aber wir haben ja Zeit. Erst als uns auch der Strom im Stich lässt, werfen wir den Motor an. Auch manche Rennmaschine unter Segeln hat auf dem Solent derweil die Leichtwindverhältnisse getestet – die Cowes Week lässt grüßen.

Zünftiger Gruß bei der Einfahrt: Die Royal Yacht Squadron schießt mit Kanonen, als wir uns dem Bojenfeld und dem prominenten Uferabschnitt nähern. Wir fahren Richtung East Cowes Marina, erbitten über Funk einen Liegeplatz, den wir auch bekommen, dann aber gegen einen Ordner auf dem Steg erst mal verteidigen müssen. Päckchen sind an den Besucherplätzen angesagt, der Hafen ist voll. "Ah, there was a confusion", grinst der Hafenmeister beim Bezahlen. "Only a small one", wiegele ich ab. Wir verstehen uns, schließlich hat doch alles geklappt. Überhaupt ist unser Eindruck von den britischen Marinas bestens: Die Preise sind mit rund 25 britischen Pfund höher als in Holland, verstehen sich dafür jedoch als Inklusivpreise. Strom und Wasser, Müll und Duschen – all das gehört in guter Qualität zum Leistungsumfang. Hinzu kommen Freundlichkeit und Kompetenz der Mitarbeiter. Wir fühlten uns an der englischen Südküste sehr wohl.

Das quirlige, auf Seglertourismus eingestellte Städtchen Cowes gefällt uns. Vor allem der Laden der Foto-Dynastie Beken of Cowes ist einen Besuch wert. Hier wird die fotographische Ausbeute von vier Generationen vermarktet. Aber man muss eben den Platz haben für großformatige Bilder klassischer Rennyachten.

So bleibt es beim Schauen und Staunen. Wie schon in Dover bringt uns ein Bus in das Zentrum der Insel. Newport, die Hauptstadt der Isle of Wight, macht gegenüber Cowes einen provinziellen Eindruck. Es bleibt bei einem kurzen Bummel und einer Stärkung in einem am Hafen gelegenen Pub.

Wir planen unsere weitere Reise. Southampton, die Großstadt in Englands Süden, möchten wir gern noch anlaufen, bevor wir auf das passende Wetterloch für die Überquerung des Englischen Kanals warten. Eigentlich sollte Lymington der Absprunghafen dafür werden. Aber das Wetter verschlechtert sich, so dass wir erst einmal der Südküste bis Weymouth folgen und dann direkt Alderney ohne den Umweg über Cherbourg ansteuern.

Von Cowes laufen wir also direkt nach Southampton, wo wir in der Ocean Village Marina den einzigen Regentag unserer Reise abwettern. Es gibt sicher hässlichere Orte für solche Tage: Die lebhafte Metropole zwischen beeindruckenden Stadtmauern und ebenso interessanten Einkaufszentren gefällt uns. In der Marina überzeugt uns zudem der freundliche persönliche Service. Als wir nach einer Möglichkeit fragen, Seekarten zu kaufen, erklärt uns der Marina-Mitarbeiter, das sei ein blöder Fußweg. Er fährt uns kurzerhand mit dem Auto in den Shop. Wir freuen uns über so viel Engagement und sind nun auch navigatorisch für den Abstecher bis Weymouth gerüstet.

Die Reise dorthin führt uns über Lymington, den faszinierenden Solent-Ausgang mit der Felsformation "Needles", über den riesigen Hafen Poole sowie die bizarren Klippen rund um die Felsformation "Old Harry".



In Höhe Portland Bill merken wir deutlich die Kabbeleien unter Wasser, die schon bei der Konstellation leichter Strom gegen leichten Wind nicht zu übersehen sind. Bei auch nur mittleren Winden sieht das gewiss noch ganz anders aus!

In Weymouth passieren wir die alle zwei Stunden öffnende Brücke und werden gleich von einer Marina-Mitarbeiterin im Schlauchboot zum Liegeplatz eskortiert. Kaum haben wir als zweites Boot im Päckchen festgemacht, stelle ich beim Wetterbericht des Hafenmeisters erfreuliche Tendenzen für morgen fest: Drei bis vier Windstärken aus

Südwest bis West, rechtdrehend auf Nordwest – das klingt unglaublich gut. Zur Sicherheit telefoniere ich noch mit dem Seewetteramt Hamburg, bei dem wir eine Törnberatung gebucht haben. Unsere wesentliche Frage: Wie sieht es mit Nebel aus? Keine Sorge, sagt der Meteorologe, die Gewitterfront sei in Nordfrankreich schon durch. Mit Nebel sei nicht zu rechnen.

So passieren wir bei der ersten Öffnung um 8:00 Uhr wieder die Brücke und machen uns auf den Weg. Am Anfang zieht der Strom mit, ein schönes Segeln beginnt. Südkurs ist angesagt – leider tritt allerdings die von allen Wetterdiensten vorherge-sagte Rechtdrehung auf West und sogar Nordwest den ganzen Tag über nicht ein. Stattdessen schwächt sich der Südsüdwest immer mehr ab, so dass wir unser klägliches Tempo denn doch mit dem Motor aufbessern müssen. Der Verkehr der Großschifffahrt hält sich in Grenzen. Nur einmal müssen wir eine unklare Situation durch klare Kursänderung entschärfen. Am Spätnachmittag kommt Alderney in Sicht. Der Leuchtturm wirft uns sein kräftiges Licht einladend entgegen.
Wir sind gespannt: Wie wird es im Naturhafen Alderney aussehen? Werden wir eine Besuchermooring bekommen? Der Wellenbrecher lässt sich nur mit Mühe ausmachen, aber beim Näherkommen sieht man die rund 100 Boote zwischen Strand und Wellenbrecher. Wir sind am Ziel, die erste Kanalinsel ist erreicht.

Leider finden wir keine freie gelbe Gäste-Mooring mehr, machen deshalb an einer roten Privatboje fest. Vom Hafenmeister erfahren wir am späteren Abend, dies sei völlig in Ordnung. Wir füllen die Papiere zur Einklarierung aus, weil die "Bailiwick of Guernsey" das Schengener Abkommen ebenso wenig unterschrieben hat wie Jersey. Hier müssen alle aus Frankreich oder England kommenden Schiffe einklarieren.

Die Nacht wird unruhig. Der Tidenstrom bewegt "SEESTERN" in die eine Richtung, der leichte Südwestwind in eine andere. So sind wir froh, als wir uns nach dem Frühstück an eine Besuchermooring nahe am Wellenbrecher verholen können. Hier liegen wir völlig ruhig und können mit dem Beiboot Insel und Strand erkunden. Alle sind be-geistert: Dies ist Inselromantik pur. Wir fühlen uns wie in eine andere Welt versetzt. Mit ausgedienten Londoner U-Bahn-Wagen lassen wir uns von einer Diesellok bis zum Leuchtturm ziehen, wo uns Simon, der Leuchtturmwärter, Geschichten vom Leuchtturm und der Insel erzählt. Wir bummeln zurück zum Hafen und fahren am nächsten Morgen eher ungern weiter. Aber irgendwie gibt's denn doch einen Zeitplan und schließlich werden wir auf dem Rückweg nach Cherbourg ein Wiedersehen mit Alderney feiern können.


Auf dem Weg nach Guernsey bekommen wir praktischen Anschauungsunterricht in Sachen "Overfalls". Wir fahren unter Motor bei maximal einer Windstärke gegenan, während uns der Strom mit vier Knoten durch den Seeabschnitt "Swinge" schiebt. Zwischen der Felsformation und der Insel Alderney liegen nur sieben Kabellängen Wasser. In dieser Engstelle entstehen auch bei leichten und mäßigen Winden gefährliche Kabbelungen. Als wir uns der Stelle nähern, wird aus dem ölig-ruhigen Wasser ein mittlerer Wellensalat, der dem Steuermann durchaus einiges abverlangt. Die Wellen kommen unrhythmisch, in schneller Folge und mit ständigen Änderungen in der Ausrichtung. Sie lassen sich schlecht aussteuern. Wir arbeiten uns mit erheblicher Bewegung im Schiff durch die rund eine halbe Meile lange Zone, bevor die See urplötzlich wieder völlig ruhig wird.

Nach diesem Lehrstück verstehen wir den Ratschlag der Handbücher, "Swinge" und "The Race" rund um Alderney zu meiden und lieber einen kleinen Umweg in Kauf zu nehmen. Aber auch die Ansteuerung von Guernsey bietet durchaus Herausforderungen. Wir haben uns für den nördlichen Felsenhafen Beaucette entschieden, dessen Einfahrt von nur 15 Metern Breite in den Fels gesprengt wurde. Der Hafen ist von außen lediglich an den gelben Wartetonnen und etwas weißer Farbe auf den Steinen zu erkennen. Eine winzige spindeldürre Süd-Spiere steht auf der Untiefe Petite Canupes, und erst von hier an kann man den Einlaufkurs von ° nutzen.

Wir arbeiten die spannende Ansteuerung präzise ab und werden bald vom Hafenmeister in einem schnellen Motorboot begrüßt. Zwar stehe schon genug Wasser über der Einfahrt, aber zunächst müsse noch ein Boot ausfahren. Hier geht alles nur im Einbahnverkehr und unter der Regie des Hafenmeisters. Am Liegeplatz sehen wir uns staunend um, denn dieser Hafen mit schroffen Klippen rundum bietet optische Reize, die manchen Schärenhafen blass werden lassen. Dies ist die erhoffte Alternative zu St. Peter Port, dem meist restlos überfüllten Haupthafen auf Guernsey. Ein Linienbus bringt uns für umgerechnet 75 Cent in das Zentrum der Insel.

Ganz anders als auf Alderney gibt es auf Guernsey ein reges Geschäftsleben. Wir lassen uns durch den Trubel treiben, kaufen ein, fotografieren und fühlen uns bei bestem Wetter richtig wohl. Einen zweiten Tag nutzen wir für eine Ausflugsfahrt nach Herm, eine Mini-Insel in Sichtweite mit nur 40 ständigen Bewohnern. Wir scheuen die bergige Wanderung auf die andere Seite der Insel nicht, besuchen den Shell-Beach, der mit reichlich Atlantik-Muscheln aufwartet. Auch hier gibt es herrliche Blicke auf Buchten, auf Hügel und Meer, die einfach verzaubern. Eine tolle Landschaft!

Mit dem Tidenstrom treten wir von Beaucette aus unseren Weg nach Jersey an. Wir entscheiden uns wie die meisten Segler für die Western Passage, die uns sicher um die zahlreichen Unterwasserfelsen herumführt. Auch der Hafen der Inselhauptstadt St. Helier kann nur drei Stunden vor bis drei Stunden nach Hochwasser angelaufen werden. Es gibt aber sehr praktikable Wartestege, die dem Ansturm von rund 100

Yachten in mehreren Päckchen gewachsen sind. Die Zuweisung der Plätze am Besucherschlengel erfolgt routiniert und zügig. Als Anlegeschluck genehmigen wir uns eine Flasche Sekt, mit der wir den südlichsten Punkt unserer Reise feiern.

Da wir uns mit unserer Ablöse-Crew in Cherbourg verabredet haben, müssen wir allerdings schon jetzt an den Rückweg denken und können St. Malo am französischen Festland nicht mehr mit der "SEESTERN" erreichen. Das hätte je einen Tag Hin- und Rückreise bedeutet und ließ sich als Alternative bequem als Tagesausflug mit der Katamaranfähre bewältigen. Sie schaffte die gut 40 Seemeilen zwischen Jersey und St. Malo in gut einer Stunde, während wir je nach Windverhältnissen mit acht Stunden hätten rechnen müssen.

Sowohl der schroffe alte Festungsort an der französischen Küste als auch die größte der Kanalinseln haben uns beeindruckt. Jersey strahlt urbane Geschäftigkeit ebenso wie einzigartige Natureindrücke aus. Wir haben beides in vollen Zügen genossen. Einkaufsbummel und Foto-Spaziergang am Strand sind mühelos an ein und demselben Tag möglich. Wirklich gelohnt hat sich die Busfahrt entlang der Küstenlinie, die den Besucher nahe an den Leuchtturm La Corbiere und die Brelade Bay, an mondäne Villenvororte und erstaunlich leere, da riesige Strände heran bringt.

Auf der Fahrt nach Cherbourg, dem Endhafen unseres diesjährigen Urlaubstörns, lassen wir noch einmal die faszinierende Palette der Kanalinseln an uns vorbei ziehen. Als Kontrast wählen wir diesmal auf Guernsey den wirklich vollen Hafen St. Peter Port, bevor wir zur großen Freude der ganzen Familie noch einmal Alderneys Naturhafen anlaufen, der es der ganzen Familie so sehr angetan hat. Sogar Tanken kann man hier – exakt zwei Stunden vor bis zwei Stunden nach Hochwasser, so lange der kleine "Crabby Harbour" genug Wasser hat.
Strandleben und eine Wanderung zum Inselzentrum St. Anna runden das Programm ab, bevor die Fahrt nach Cherbourg ohne besondere Vorkommnisse verläuft. Hier liegt man gut und ist auch für einen Crewwechsel bestens gerüstet.

Skipper Günter Voigt (2. v.r.) brachte die SEESTERN wohlbehalten zurück nach Holland.

Nachdem wir Günter und seiner Mannschaft unsere "SEESTERN" übergeben haben, erreichen wir Münster nach einer nächtlichen Zwölfstundenfahrt müde, aber voll von neuen Eindrücken und bestens erholt. Fünf Wochen und fünfhundert Seemeilen entlang der englischen Südküste und rund um die Kanalinseln – wir haben es intensiv genossen. Und während für uns alle vier der Alltag wieder anlief, wird schon fleißig diskutiert. Natürlich nicht die Frage, ob , sondern ganz ausschließlich die Frage, wohin wir wohl im nächsten Jahr segeln wollen. Irgendwie scheinen sich auf der "SEESTERN" alle ausgesprochen wohl zu fühlen. Wolfgang Horn

Fotos: Maren, Oliver und Wolfgang Horn

 

 

 

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