Ungewöhnliche Dinge geschahen während der letzten Wochen in klaren Frühjahrsnächten am Aasee. Leise raunten sich erwachsene Männer mit Kennermine die Namen der römischen Gottheiten Mars, Jupiter und Venus zu. Dabei hantierten sie mit seltsamen Instrumenten. Späte Spaziergänger glaubten, heidnische Götzenanbeter treiben Teufelszeug.
Tatsächlich begegnen sie nur einer Gruppe Münsteraner Hansa-Segler. Diese haben längst die engen Grenzen des heimischen Gewässers hinter sich gelassen. Traditionspflege hat bei Seglern noch immer noch einen hohen Stellenwert. So üben sie zu nächtlicher Stunde die Kunst, Gestirne im Sterngewimmel aufzuspüren. Mit Hilfe von Sextanten bestimmen sie dann präzise den eigenen Standort.
Der jährliche Höhepunkt in dieser offenen Gruppenarbeit des Vereins SHM ist ein Hochseetörn mit einem Traditionssegler. Die Wahl fiel diesmal auf die zweimastige norwegische „Redningskøyte“ (Rettungsketch) mit dem Namen der griechischen Grazie „Aglaia“. Sie liegt im Museumshafen der Hansestadt Lübeck. Erbaut wurde Sie nach einem Entwurf des legendären norwegischen Schiffskonstrukteurs Colin Archer (*1832/†1921). Eigentümer ist der gemeinnützige Verein Sail-Aglaia e.V. Dieser sorgt sich besonders um die pädagogische Arbeit mit Jugendlichen.
Der Name des Schiffes steht für die Göttin der Anmut. Genau diese Tugend war daher gefragt, um bei Seegang und Schräglage Gestirne anzupeilen. Zudem war das Schiff mit der altmodischen Gaffeltakelung sicher zu seinen Zielen zu führen. Auch ergab sich die Herausforderung, in engen Ostseehäfen, ohne Nutzung des Motors auszulaufen und anzulegen.
Unter der sachkundigen Führung des Traditionsskippers Sven Esser gelang es, bei herrlichem Kaiserwetter am 1. Wochenende im Juni, alle Aufgaben auf See reibungslos zu erfüllen. Krönender Abschluss der Ausbildungsfahrt war sicher die Bewältigung der verschlungenen Anfahrt zum Lübecker Heimathafen von Travemünde aus – nur unter Segeln – ganz wie zu Zeiten der hanseatischen Handelskoggen. (Stephan)