Die Hansa Ostseeflottille diesen Jahres fand gleich zu Anfang der Sommerferien vom 30.7. bis 6.8. statt. Im sonst großteils verregneten Sommer hatten die 4 Yachten mit 20 SeglerInnen ausgesprochen freundliches Wetter, so dass Cremes mit hohen Lichtschutzfaktoren angesagt waren. Neben seglerischen Highlights gab es auch reichlich Abwechslung bei den Landgängen.
Ca. 250sm (vgl. den Plot der „Kaethe“ links) wurden von den 3 in Lauterbach gecharterten Yachten zurückgelegt. Die aus Heiligenhafen dazugestoßene Eigneryacht ließ insgesamt ca. 350sm im Kielwasser.
Hier der ausführliche Reisebericht von Simon von Bord der „Eisbär“:
Hochseegefühle auf der Ostsee
Ein Flottillentörn des Segelclubs Hansa Münster (SHM) nach Bornholm
Das Meer fasziniert von je her die Menschen. Seine weite Freiheit macht sehnsüchtig, seine unbändige Gewalt verleiht Respekt. Schon an der Küste spürt man etwas von dieser Kraft des Meeres, in dem Moment aber, wo das Land achtern verschwindet und das neue am Horizont noch nicht auftaucht, umso mehr.
Um die 70 sm sind es von Lauterbach (Rügen) nach Nekso auf Bornholm. 70 sm, die bei gleichbleibender Großwetterlage auch wieder zurückzusegeln sind. Wer sich bei der Hinfahrt noch über raumen Wind freuen mag, der weiß, dass dieser ihm bei der Rückfahrt entgegen wehen könnte. Aber Bornholm ist mit seinen kleinen, pittoresken Häfen ein lohnendes Ziel und so macht sich der Segelclub Hansa Münster mit drei in Lauterbach gecharterten Bavaria Yachten (von 36 bis 40 Fuß und den Skippern Klaus M., Klaus E. und Stefan M.) am Sonntag, dem 31.7.2011, um sechs Uhr morgens, auf nach Bornholm. Am Abend zuvor schon Sassnitz anzulaufen, schien nach einer langen Autofahrt und der langwierigen Übergabe der Schiffe nicht mehr ratsam. Nachdem um 9:30 Uhr (MESZ) die Ansteuerungstonne Landtief B erreicht war, konnten bei leichter bis schwacher Brise aus östlicher Richtung die Segel gesetzt und Kurs auf Bornholm genommen werden. Langsam entfernte sich Rügen. Trotz der schwachen Winde offenbarte das Meer etwas von seiner majestätischen Größe, als ringsum nichts mehr zu sehen war als Wasser. Nachdem die südöstliche Grenze des Verkehrstrennungsgebiets Adlergrund erreicht war, wurde beschlossen den Motor unterstützend hinzunehmen, um noch vor Mittnacht Nekso zu erreichen. Es tat gut, als sich am Horizont Bornholm, das noch lange nicht erreicht war, abzeichnete. Wie muss sich wohl Kolumbus gefühlt haben, als er, nach zweieinhalb Monaten ohne moderne Seekarten und Navigationsmittel die Neue Welt erreichte? Das Einlaufen in den gut befeuerten Hafen von Nekso war sicher, wie auch das Liegen an Heckbojen unproblematisch. In Nekso stieß dann auch Peter T. mit seinem Schiff und seiner Crew nach einem langen Ritt von Heiligenhafen zu uns, so dass sich die Flottille auf stattliche vier Yachten erweitertet hatte. Schon im Hafen von Nekso wurde deutlich, wie gut es ist, in einer Flottille zu segeln: Die Crews der zuerst angekommenen Schiffe hatten schon den Hafen erkundet, sich mit Duschmarken und Informationen versorgt und schon nach freien Liegeplätzen Ausschau gehalten. So hatten wir als letztes Schiff, das an diesem Abend Nekso anlief, das Gefühl, in der Fremde nach Hause zu kommen. Flottillentörns sind so nicht nur ein Austausch an Erfahrungen und Wissen, wie die Skipperbesprechungen, die jeden Morgen stattfanden, immer wieder zeigten, sondern auch das gute Gefühl, im unbekannten Revier nicht alleine zu sein.
Der östliche Wind des letzten Tages drehte am folgenden auf nördliche Richtung und blieb schwach. Als Tagesziel war das 15 sm entfernte malerische Gudhjem angedacht. Zwei Boote entschlossen sich unter Motor die Erbseninseln, die östlichste Inselgruppe Dänemarks, anzulaufen, um dann mit halben Wind nach Gudhjem zu segeln. Unsere Crew entschloss sich, nach dem gestrigen Motoren, segelnd Gudhjem zu erreichen und auf dem Weg dorthin ein wenig Manövertraining zu betreiben und zu schauen, wie weit der Trimm bei Charteryachten möglich war.
Bei starken östlichen Winden gestaltet sich die Einfahrt in den Hafen von Gudhjem als schwierig oder gar unmöglich, da auflaufende Wellen das einlaufende Schiff in der Hafeneinfahrt gefährlich nahe an die backbord- oder steuerbordseitigen Felsen versetzen. Selbst bei schwachem Wellengang sollte man daher mit recht hoher Marschgeschwindigkeit die Hafeneinfahrt ansteuern. Der Hafen von Gudhjem ist klein und im Sommer nicht selten gut mit Booten belegt. Aber gerade diese Enge macht seinen Charme aus. Das schöne, sympathische Dörfchen, die angrenzenden Steilküsten tragen dazu das Ihrige bei. Wer ganz viel Glück hat, der kann in Gudhjem frischgefangenen Fisch von einigen wenigen noch verbliebenen Fischern erwerben. Der vor Bornholm gefangene Dorsch gilt dabei als besondere Delikatesse. Wir hatten Glück: Fischer Lasse vermachte uns seinen letzten Dorsch. Obwohl uns unser Einhand-segelnde Bootsnachbar riet, den Dorsch noch einen Tag in der Bilge ruhen zu lassen, damit sein Fleisch nicht beim Braten zerfällt, obsiegte unser Hunger. Das fachmännische Ausnehmen besorgte Ekkes, die Zubereitung der Skipper selbst: Captainsdinner auf 55° 13′ N, 14° 58′O.
Hammerhus gilt als die größte Burgruine Nordeuropas, der Hafen ist wunderschön zu ihren Füßen gelegen. Also ein lohnendes Ziel für den dritten Tag der Reise. Die knapp 13 sm wurden bei sonnigen Wetter und schwachen Winden aus Nord, die erst nach der Umrundung der Nordspitze Bornholms auffrischten, recht zügig überwunden. Sinnvoll ist es allemal, recht früh in Hammerhavn einzulaufen, um die großartige Burgruine zu erkunden und den Blick von ihren Mauern auf Meer und Hafen zu genießen. Und so mutierte der SHM kurzerhand zu einer kleinen Wandergruppe, die zügig den Hügel bestieg, auf dem die Ruine thront. Was heute romantische Gefühle weckt, muss im Mittelalter schwere Bau- und Belagerungsarbeit gewesen sein. Den späten Nachmittag verbrachten einige mit einem kurzen Schwimmausflug im (noch leeren) Hafenbecken andere mit der Vorbereitung eines zünftigen Abendessens.
Rönne, die Hauptstadt der Insel Bornholm, sollte am Mittwoch angelaufen werden. Spannend wurde dieser Schlag vor allem wegen der wechselnden Windverhältnisse. Blies die ersten Seemeilen der Wind in Küstennähe schwach aus westlicher Richtung, (im Gegensatz hierzu bewegte östlicher Wind die Windräder auf der Steilküste), so flaute er vor Hasle ganz ab, um dann vor Rönne auf einen guten dreier bis vierer Wind aus Ost anzuwachsen, der die Käthe und die Eisbär zu einer kleinen Regatta hin zum Hafen Rönne veranlasste. Wähnte sich die Eisbär noch in der Nähe der Ansteuerungstonne Rönne als Siegerin, so durchkreuzte eine auslaufenden Fähre die Pläne der Eisbär, den Hafen von Rönne als erster zu erreichen. Am Ende einigte man sich sportlich darauf, dass die Eisbär zwar höher am Wind gelaufen sei und deshalb wohl den Hafen als erstes erreicht hätte, die Käthe aber, die den Hafen dann als Siegerin erreichte, doch die auslaufende Fähre früher als den Sieg entscheidenden Faktor erkannt habe. Nach einer kurzen Erkundung und der Gewissheit, dass trotz Auskunft des Hafenlotsen der Stadthafen Rönne eher ungeeignet für Yachtsegler ist, wurde der Hafen Rönne wieder verlassen und der nördlich gelegene Yachthafen angesteuert. Ein gemeinsames Abendessen des SHM in einem freundlichen und guten Restaurant schloss den Abend ab. Die Flottille war in Rönne bereits wieder auf drei Boote geschrumpft. Peter hatte sich über Warnemünde wieder nach Heiligenhafen aufgemacht.
Der folgende Donnerstag sollte in der Planung für einen Landtag in Bornholm genutzt werden. Die Wettervorhersage, die für den Donnerstag noch südöstliche Winde versprach, die aber im Laufe des Freitags auf Südwest drehen sollten, und das gute Gefühl einen etwas kürzeren Schlag bis Sassnitz vor Augen zu haben, veranlasste die kleine Flottille schon am Donnerstag Rönne zu verlassen. Ein guter Wind um 4Bft, der zum Ende des Tages weiter auffrischte, und wie angekündigt aus südöstlichen Richtungen blies, bescherte den drei SHM-Booten einen wunderbaren Segeltag. Die 50 sm wurden so in weniger als 10 Stunden zurückgelegt. Und je länger der Tag dauerte, desto besser Geschwindigkeiten wurden erzielt, wobei der Geschwindigkeit durchs Wasser stets beeindruckender war, als diejenige über Grund. Als navigatorische Hilfe, die allzu starke Hundekurven ausschloss, bot sich dabei der weithin sichtbare AIS Sender auf 54° 47,5′ N, 14°8′O an. Welch Faszination Segeln ausübt, spürt man in diesen Momenten, wo Welle, Wind, Kurs und Boot (perfekt) harmonieren. Wenn es Wind und Wetter gütig meinen, wird so die Weite des Meeres zum einladenden Weg, der nicht zu enden bräuchte. Der Hafen Sassnitz ist gut ansteuerbar, verfügt über viel Platz und ist eine recht sympathische Mischung zwischen altem Fähr- und Fischerhafen und modernem Yachthafen.
Der Rückweg von Sassnitz nach Lauterbach führt vorbei am Fährhafen Mukran, den man aufgrund der ein- und auslaufenden Fähren in etwas Entfernung passieren sollte, an dem nationalsozialistischen Seebad Prora, den wieder erblühten Seebädern Binz und Sellin und dem noch verwunschenen Südzipfel Rügens, dem Mönchgut. Vom Meere kommend wirkt das menschliche Treiben an den Stränden, die in Beton gegossene Gigantomanie des Seebads Prora seltsam unbeholfen. Das Meer war lange vor uns, ist, und wird lange nach uns sein. Aus seiner Perspektive müssen wir ihm wie ein unbeholfener Armeinsenstaat vorkommen, der Luftschlösser gegen die ihn bedrohende Zeitlichkeit baut. Glücklich der Mensch, mit dem es das Meer für einen perfekten Moment gut meint, er kann sich dann wähnen, Teil seiner Unendlichkeit zu sein.
Mit Lauterbach hatte uns der (hektische) Charterbertrieb wieder, tanken, Wasser auffüllen, Taucher unterm Kiel, Bootsabnahme. Die Autofahrt nach Münster am darauffolgenden Samstag kam einem dann surreal vor: Zu viele Menschen bewegen sich zu schnell in zu engen Blechkisten auf nicht ausgetonnten engen Fahrwegen. Keinen Kurs kann man abstecken, nicht sich mit günstigen Winden treiben lassen, nicht unter Deck gehen und einen Kaffee kochen. Im heimischen Bett aber schwankten dann die Wellen des Meeres beim Einschlafen noch etwas nach. Das Meer ist treu. Es buhlt nicht um Liebe, verschenkt seine Zuneigung nicht, aber dem, dem es einmal seine Nähe geschenkt hat, den verlässt es niemals wieder.
Dass der SHM Bornholm in Form eines kleinen Flottillentörns erkundete, war meines Erachtens ein guter Weg: Beim Flottillensegeln ist es gut zu wissen, dass Fachwissen verschiedener Skipper sich bündelt und: Flottillensegeln heißt auch immer: Nach Hause kommen in der Fremde (s.o.). Festgehalten werden muss auch, dass sich Bornholm vor allem für kleine Flottillen gut eignet, da die Liegekapazität der Häfen oft begrenzt ist. Ein guter Revierbericht über Bornholm ist in YACHT 13/2011 nachzulesen. Unter www.sailing-guide.eu findet sich eine gute Beschreibung der Häfen Bornholms.
Dank gilt besonders Stefan M., der als Skipper und Fahrtensegel-Obmann für Bornholm nicht nur den Törn akribisch plante, sondern ihn auch in seemännisch gelassener Weitsicht durchführte.
Simon V.