„Auszeit unter Segeln“ von Sönke Roever hieß doch eines der Bücher über einen Ostseetörn, das ich letztes Jahr von Freunden mit Verständnis für meine Segelschwäche zum Geburtstag erhielt. In den Tagen der Weltmeisterschaft mit seinen hochsommerlichen Temperaturen reifte unserseits kurz entschlossen die Überlegung mit „mine sine“, einem leicht trailerbaren Kimmschwerter, Typ „Flamingo“, in nördliche Gefilde zu entfliehen. Die vergleichbar günstigen Fahrkosten von lediglich 185 Euro, von Travemünde – Malmö für Auto und Anhänger, gaben dann den Ausschlag einen Schlag von Nyköping durch den Schärengarten gen Stockholm, Mälarsee und zurück zu wagen. Die Zehntage – Prognose der „Wetterzentrale“ (www.wetterzentrale.de) sagte zudem gerade für diese Gegend dauerhaft günstige Verhältnisse voraus, zwar mit einen Tiefdruckgebiet über Norwegen aber mit einem weitgehend stabilen Hoch über Mittelschweden und Finnland.
Der nächste Morgen begann entsprechend erst kurz vor dem deutschen Mittagessen mit dem Programm: Kartenmaterial besorgen, Lebensmittel und Treibstoff bunkern. Die Innenstadt von Nyköping ist hübsch und regelmäßig angelegt, meist zweistöckige Häuser, viel traditionelle Holzverblendung an den Fassaden mit modern eingerichteten Läden. Der Buchladen hatte eine erstaunliche Menge besten Kartenmaterials, darunter eine norwegische Kartensammlung des Reviers mit Ringbindung, als letztes Exemplar zum Sonderpreis! Der Rest war eine Kleinigkeit. Der „Lidl“ lag ca. 500 m vom Slip entfernt, Benzin gab es sogar direkt daneben.
Also, nichts wie weg, raus in den Schärengarten. Zuvor noch, in der Hafenzufahrt, brachte ich die Crew dreier Militärpatrollienboote auf ungewohnten Trapp, als ich respektvoll die Flagge dippte, ein völlig ungewohnter Vorgang in dieser Gegend, der dennoch, nach Seemannbrauch, beantwortet sein will. Kurz vor dem Erreichen der offenen See sprangen wir erst noch mal ins Wasser um all den Schweiß der langen Anfahrt verbunden mit allen Vorbereitungen abzuwaschen. Die echte Überraschung war der geringe Salzgehalt und die sehr angenehme Frische des Wassers.
Nach einem opulenten Frühstück mit anschließendem Bad sollte es rausgehen zur Tonne Lillhammersgrund (58°40,4`N, 17°19,2`E) um dann, zunächst auf einem ausgetonnten NE und anschließenden NNW – Kurs in das geschützte Gebiet des Tvären einzutauchen. Doch es kam nicht wie gedacht. Friederikes Bedürfnis noch mal ins Innere der Insel abzutauchen, fand erst einige Stunden später ein völlig niedergeschlagenes Ende: „Ich habe ja nichts gegen einen Urwald“, verkündete den Tränen nahe, mein holdes Weib,“ außer – außer ich bin drin!“ Auf der Suche nach dem kartenmäßig verzeichneten „Hüsken“ hatte meine Frau sich völlig verfranst und dann das südliche Inselufer aufgesucht, stets von dem Gedanken begleitet, sie habe ja den gestrigen Tag stets das große Industriewerk gesehen. Dieses konnte man durchaus von der Insel am Horizont erkennen, aber wir lagen die Nacht über auf der Nordseite! So fand sie nur leere Buchten vor und wähnte sich bereits ausgesetzt.
Der anschließende Törn erwies sich völlig unproblematisch, zumal Aaron, als diensthabender Navigator. die eingezeichneten Tonnen stets vor seinen Eltern in der Ferne erspähte.
Der Tvären ist eine fast vollkommen kreisrunde Bucht von unglaublicher Tiefe. Wassertiefen von 20 – 30 m sind im Schärengebiet durchaus keine Seltenheit, hier überraschte uns jedoch die dokumentierte Tiefe von 76 m! (58°46,3`N, 17°25,7`E) Somit dürfte diese Bucht eine der tiefsten Stellen der Ostsee darstellen, was, wie wir später erfuhren, auf einen prähistorischen Meteoriteneinschlag zurückzuführen ist. Dieses binnenseeartige Gewässer zu durchqueren stellt keine großen Ansprüche an geübte Segler, sein Ausgang jedoch zum Gupafjord (58°45,85`N, 17°28,5`E) ist äußerst schmal, wobei das nördliche Ufer auch noch mit einem kleinen Restaurant mit entsprechenden An – und Ablegeverkehr besetzt ist. Wenn dann noch größere Motorboote aufkommen und die Durchfahrt von einem großen Gaffelschoner mit ausgebaumten Großsegeln verengt wird, kann man durchaus nervös werden, wenn die Vorschoterin, statt aufmerksam die Segel zu führen, nur nach der Kamera greift, um die „niedliche Häuschen“ am Ufer abzulichten. Der folgenden Wortwechsel ist hier ohne Belang, aber die Versöhnung fand dann, gut gekühlt, im besagten Restaurant bei einen sehr sahnigen Eis statt.
Die Weiterreise erwies sich als völlig unproblematisch, bis wir dann gegen 23 Uhr am verwaisten Landungssteg von Hökö (58°58,55`N, 17°32,1`E) festmachten um unser Abendbrot zu kochen. Die völlige Windstille dieses Stegs hatte leider auch seine ungeahnten Nachteile, als dort alle Mücken, die der Wind von der Insel vertrieben hatte, auf uns Ahnungslose beim Einschlafen niederstürzen. Dies war das letzte Mal, dass wir eine derartige Leesituation aufsuchten!
Der nächste Tag erwies sich wiederum als überwiegend sonnig mit mäßigen SW – Wind. Bedingt durch die nächtlichen Plagegeister und das obligatorische Bad mit ausgiebigem Frühstück kamen wir wieder erst gegen 11.00 Uhr los. Ein Hafentag war dringend nötig, nicht allein der Einkäufe und der sanitären Einrichtungen wegen, Deutschland spielte gegen Portugal und die Crew erwartete ein spannendes Kleinfinale. Also, auf nach Trosa (58°53,4`N, 17°33,1`E), einer kleinen Hafenstadt mit viel bunten Holzhäuschen links und rechts eines Flüsschens, dessen Mündung als Gasthafen diente. Die nötigen Einkäufe wurden rasch im ortmittig gelegenen Supermarkt erledigt, der Hafen selbst bot einige überteuerte Kneipen – eine mit Großbildschirm. Nachdem sich der Himmel immer mehr zusammenzog und Regen aufkam, entschlossen wir uns den Abend beim Fußball in der Kneipe zu verbringen und danach früh in die Koje zu kriechen.
Am nächsten Morgen, nach einer regnerischen Nacht, riss der Himmel, peu à peu, wieder auf, die Wolken verzogen sich nach Norden und ein stetiger S – Wind um die 4 – 5 Bft. setzte ein, gerade recht, um beim Passieren der Schäre Fagelö (58°52,2`N, 17°37,5`E) die Genua auszurollen, um als „Großsegelschoner“ vor dem Wind durch den Gälöfjord in den, perfekt von S nach N verlaufenden Himmerfjord einzubiegen, der uns geradewegs gen Södertälje, dem ersten Ende unseres Ostseetörns bringen sollte.
Vor dem Wind nach N zu laufen, heißt für die Crew: wenig Abkühlung bei stetiger Sonneneinstrahlung! Was liegt da näher einen keinen Aufschießer in einer Bucht zu wagen um ins erfrischende Nass zu springen. Hinter einem hervorspringenden Felsen des Inselchens Björnö (58°55,5`N, 17°42,4`E) flog das Grundeisen in die Tiefe und die Crew sprang hinterher. Als verantwortungsvoller Skipper, kontrollierte ich noch mal der Halt des verwendeten Klappdraggens, um dann dem Rest der Familie zum Ufer zu folgen. Die pure Entdeckerlust locke zu einem kurzen Rundgang über den dicken Flechtenteppich. Oben auf der höchsten Klippe – ein Blick zurück – und dann folgte ein rascher Spurt verbunden mit einem kühnen Sprung in die Ostsee. Der Draggen hatte wohl sich nur im Kraut verfangen und „mine sine“ trieb, Heck voran, dicht vor dem felsigen Ufer. Angsterfüllt legte der Skipper einen gekonnten Kraulspurt vor, ein rasches Aufentern der Badeleiter und ein rasch angeworfener Jockel brachte das Boot schnell aus der Gefahrenzone. Der Crew war inzwischen die Entdeckungslust vergangen, gern ließ sie sich mittels des angeleinten Schwimmkragens an Bord ziehen um die Reise gen Norden fortzusetzen.
Das anvisierte Ziel der Norrviken (59°06,3`N, 17°40,9`E), ein kleiner Naturhafen südlich Södertälje, lag hinter einem kleinen Knick in dem ansonsten weitgehend schnurgeraden Himmerfjord. Die Durchfahrt durch den Knick, der Brandalsund, hat kaum eine Breite von 15 m bei einer Wassertiefe von 10 m. Den Grund für diese Merkwürdigkeit erfuhren wir gerade noch rechtzeitig in der Anfahrt als sich plötzlich eine blaue Wand vor uns aufbaute. Der Hafen von Södertälje wird von Frachtern angelaufen, die durchaus ozeantauglich sind – allerdings müssen sie durch dieses Nadelöhr, wobei sich Jollenkreuzer dann geflissentlich dünn machen sollten.
Der Norrviken selbst ist ein traumhaft schöner Naturhafen mit entsprechendem Besucherandrang am Ufer an dem sogar 40 Fuß – Schiffe direkt anlanden können. Das entsprechende Prozedere ist in Schweden überall das gleiche: In entsprechender Entfernung vom Ufer lässt man den schweren Heckanker ins Wasser und läuft direkt aufs Ufer zu, bis der Mann am Bug im gewagten Sprung die Vorleine irgendwo am Ufer vertäut. Schwierigkeiten gibt es dabei in der Regel nicht, da Unterwasserfelsen kaum vorhanden sind. Probleme gibt es allerdings, wenn man dann man Stand entlang gehen will da – zig Vorleinen den Weg versperren. Auf meine Frage wie am folgenden Morgen die eigenen Leinen wieder gefunden werden, antwortete ein Schwede schlagfertig: „Wir machen einfach alle los und sehen was passiert.“– zum Glück war dies eine glatte Lüge.
Hinsichtlich des Vorgehens gegen Mücken erwies sich der gleiche Segler allerdings als wahrer Freund in Not. Sein Tipp eine leere Halbliterbierdose am Fuße mit einem Teelicht zu versehen und unter der Trinklasche eine Mückentablette zu klemmen, bescherte uns für den Rest der Reise mückenfreie Nächte.
Der nächste Tag begann wieder mit blauem Himmel allerdings frischte der Wind nach Durchqueren der Schleuse in Södertälje deutlich auf und ein strammer 5 – er aus W mit zunehmenden Wolken baute doch eine kräftige Halbmeterwelle bei entsprechendem Fetsch auf. Unser Tagesziel war Björkö (59°19,4`N, 17°32,3`E), das ehemalige Birka, Hauptstadt eines Wikingerreiches rund um den Mälarsee, um danach Richtung Marifred abzulaufen.
Die Segelei wäre unter diesen Umständen wohl in Arbeit ausgeartet und so legten wir bei gut gefülltem Tank mal einen Motortag ein. Birkas Hafen liegt schlecht geschützt bei Westwinden und ein hoher Schwell steht im Hafen, der letztendlich auch Schuld am Verlust unser Zweifarbenlaterne trug, als beim Einlaufen des Fährschiffs unser Boot kurz unter den Steg geriet.
Die Insel zeigt ansonsten kaum Reste der alten Kultur, lediglich Kopien und Modelle im Dokumentationszentrum verweisen auf die Vergangenheit. Grund für die Aufgabe des Siedlungsgebietes ist zum einen geologisch zu begründen, durch das ständige Ansteigen des skandinavischen Festlandes wurde der Mälarsee aus der Ostsee emporgehoben und Birka war für die seegängigen Schiffe unerreichbar, zum andern wurde der Ort in Folge von Kampfhandlungen niedergebrannt.
Die Nacht verbrachten wir danach in dem hervorragend gegen alle Winde geschützten Naturhafen Gunviksviken (59°19,1`N, 17°18,2`E) unweit unseres Etappenziels Gripsholm (59°15,4`N, 17°13,2`E).
Das Schloss ist ein imposanter Renaissancebau mit einer großartigen Gemäldesammlung und zusammen mit der malerischen Bahnstation ein lohnenswerter Tagesausflug, nach dem wir uns entschlossen erneut Gunviksviken zur Verbringung der Nacht anzulaufen um dann am nächsten Tag Stockholm aufzusuchen.
Stockholm vom Wasser her anzulaufen, ist sicher die schönste Art diese Stadt zu bereisen. Nach Durchqueren des Bockholmssundes werden die Häuser ständig größer und prachtvoller bis plötzlich die städtische Skyline rund um Riddarfjord auftaucht. Nach Durchqueren der Schleuse zum Astraviken empfängt uns erneut die Ostsee und im Gasthafen am Djurgarden (59°19,3`N, 18°06,7`E) liegen wir ruhig, als kleinste Yacht, mitten in einer Stadt mit regem Überseeschiffsverkehr. Die lohnensten Ziele für uns, sind das weltberühmte Wasa – Museum neben dem historischen Museum mit seinen Wikingerschätzen.
Die „Wasa“ kann wohl als eins der untauglichsten Schiffe in der Geschichte der Seefahrt gelten, gelang es ihr doch nicht einmal eine Seemeile zurückzulegen und nur etwas Seitenwind genügte, um sie kentern zu lassen. Dennoch kann der interessierte Besucher an diesem grandiosen gut erhaltenen Wrack unglaublich viel Kultur – und Schifffahrtsgeschichte ablesen. Wie sehr uns dieses Museum in unseren Bann gezogen hatte, lässt sich schon allein an unserer Verweildauer ablesen. Nachdem wir morgens, nahezu als erste, das spektakuläre Gebäude betreten hatten, mussten wir uns nachmittags um 16 Uhr schon sehr beeilen, um noch das Historische Museum zum Besuch seiner Schatzkammer aufzusuchen. Sind die Wikinger schon als Seefahrer und als Krieger legendär, so muss man erst mal den von ihnen gefertigten Schmuck gesehen haben, um zu begreifen welch zeitlos schöne Arbeiten sie zu fertigen imstande waren. Scharf bewacht hinter Gittern und Panzerglas ruht im Historischen Museum ein unterirdischer Schatz, der nicht nur Frauenherzen höher schlagen lässt.
Stockholm selbst darf sich getrost zu den schönsten europäischen Hauptstädten rechnen, allein seine Lage am Wasser macht es wirklich zu einem „Venedig des Nordens“. Imposante Bauten aus mehr als drei Jahrhunderten, durch keine Kriegswirren zerstört, haben ein Städtebild wachsen lassen, wie es kaum in Europa wieder zu finden ist. Dabei strahlt die Stadt ein wohlhabendes Flair mit gediegenem Internationalismus aus. Viele Deutsche, aber auch Niederländer, Polen und Finnen haben hier eine zweite Heimat gefunden und bereichern mit ihren weltweiten Geschäftlichkeiten seine Bedeutung.
Dennoch unsere Zeit war begrenzt und die Sorge um die Fortdauer des überwiegend guten Wetters sowie das Wissen um den langen Heimweg durch die vorgelagerte Inselwelt riet uns den Aufenthalt nicht über zwei Tage hinauszudehnen. Stetiger SE – Wind bei fast wolkenlosem Himmel trieb unsere kleine Yacht ostwärts bis zum Skurusund, einem schmalen Fjord, der zunächst nach S führt, um dann scharf nach Backbord abzubiegen. An seinem Ende erreicht man über einen sehr schmalen Kanal den Baggensfjord (59°18`N, 18°16,5`E). Diese grandiose und bei allen Wetterlagen gefahrenfreie Abkürzung garantiert ein sicheres Ansteuern des Danzigergatts, ein weites, nach Osten und Süden teilweise offenes Seegebiet, welches wir auf unserem Heimweg passieren mussten.
Doch zuvor galt es den nach Südosten offenen Ingardöfjord bis zur Tonne Stendören (59°11,1`N, 18°29,8`E) aufzukreuzen, um dann nach Südwesten entlang des Nordrands des Jungfrufjord die Meerenge zwischen Ornö und dem Festland zu passieren. Kurz vor dem Passieren der Schärenbesetzten Meerenge bei der Tonne mit dem markanten Namen „Piltholmsknall“ ( 59°8,7`N 18°27,8`E) war es soweit, dass alle nach einer erneuten Abkühlung lechzten. Eingedeck des letzten freien Ankerns zum Baden entschloss ich mich nicht nur den schweren QCR – Anker nach vorn auszubringen, sondern auch noch den Klappdraggen am Heck zu benutzen, um uns von den erkennbaren Steinen unter der Wasseroberfläche sicher freizuhalten. Derart versichert planschten wir vergnügt im Wasser und erklommen auch das Steilufer der nahen Insel. Von dem hohen Fels herab sah „mine sine“ direkt niedlich aus und mit den Kiefern am Ufer ergab sich ein fast mediterraner Eindruck. Das sollte wohl fotografiert werden! Also, runter und mit dem Apparat zwischen den Zähnen zurück ans Ufer und noch mal den Berg hinauf. Leider hatte sich inzwischen das Bild gewandelt – „mine sine“ trieb nämlich deutlich erkennbar quer auf die Steine zu. Es langte nur für einen Schnappschuss und die Kamera meiner verdutzten Frau in die Hand drückend, sprang ich die Felsen hinunter, um im Blitzstart das Boot aus der Gefahrenzone zu bugsieren. Der Schäkel zwischen dem Ankerseil und dem Draggen musste sich geöffnet haben, denn das leere Seil war mühelos einzuholen. Sollte jemand mal wieder die Tonne mit dem Namen „Pittholmsknall“ passieren, so möge er meinen Anker in rund 6 m Tiefe grüßen. Soviel Aufregung schlägt auf den Magen und nach einer üppigen Pizza in Dalarö (59°07,8`N 18°24.6`E) hatten wir nur noch das Bedürfnis nach einem stillen Liegeplatz, der dicht bei, an einem Felsen am Endes des Sandemarsfjord (59°06,6`N 18°17,4`E) , gefunden wurde.
Am nächsten Morgen: Wind aus Südwest, d.h. Kreuzen! Kreuzen! Kreuzen! So kann man kurz den Weg über das Danziger Gatt bis kurz vor den Felsen Skrapan (58°47,5`N 17°58,3´E) beschreiben. Erst von dort ab, so war die Hoffnung, mit einem Halbwindkurs nach Westen weiterzukommen, um dann nördlich durch die Schären auf die Westseite der Insel Öja, deren südlichstes Kap Landsort heißt, zu gelangen. Doch der Wind drehte mit und in dem engen Fahrwasser war es unter Motor deutlich sicherer. Nach dieser Ochsentour war es schon spät als wir den Norahamn (58°46,2`N 17°51,7`E) erreichten. Der Hafen ist klein und nur an der Südseite gibt es Liegeplätze, wobei die westlichen deutlich dem Schwell der hereinströmenden Ostsee ausgesetzt sind. Die Boote im Hafen lagen so dicht bei dicht, dass wir keine Briefmarke mehr zwischen die Bordwände bekommen hätten. Ganz außen im Flachwasser gab es noch einen, der erwies sich jedoch als fester Liegeplatz für ein Motorboot eines Behinderten, so dass wir es vorzogen in Lee eines Felsbuckels im Hafen zu ankern, um dort unsere Spagettis zu kochen und zu nächtigen.
Am nächsten Morgen hatte der Westwind deutlich an Stärke zugenommen und der Wetterbericht sagte Westwind von 6 Bft mit Böen voraus. Zeit für einen Hafentag? Auf diesem öden Eiland? In 5 sm Entfernung würden wir wieder in die Abdeckung einer Insel, Askö, geraten und ohne Wellen würde unser Boot den Weg schon fortsetzen können. Also gab ich die Parole aus: „Auf nach Trosa!“
Die Wellen waren nicht von Pappe und „mine sine“ hatte schon zu kämpfen, um die rund 1 m bis 1,20 m hohen schäumenden Berge zu überwinden. Es ging nur gegen an, steil den Wellenberg hoch, um dann, im Zenit, mit etwas schräge hinab zu gleiten. Der Motor arbeitete gleichmäßig, wenn auch gefräßig, und es war nicht notwendig die vollen 5 PS auszunutzen, da dann vermutlich mehr Wasser in die Plicht geschlagen hätte. Zu behaupten, dass wir trocken blieben wäre vermessen, aber die Crew hatte sich hinter den Kajütaufbau zurückgezogen, so dass nur der Steuermann immer wieder eine Mütze Wasser über die Jacke geschüttet bekam. Der Konstrukteur hatte im Prospekt versprochen, das Boot segelt trocken, und ich kann nach dieser Tour nur sagen, für ein Bötchen dieser Größe, hat „mine sine“ die Überfahrt gut überstanden. Allerdings musste ich die Steuerei hoch konzentriert bewältigen, wobei ich mir schor: Das nächste Mal, hast du wenigstens ’ne Funke dabei!
Als ich nach der errechneten Zeit immer noch gegen die Wellen kämpfend gegen Westen hielt, fragte ich meine Frau wann wir denn nun Askö erreichen werden, um nach Trosa abzulaufen. Da eröffnete mir, zu meiner großen Verblüffung, die beste alle Ehefrauen: „In Trosa waren wir doch schon, ich will woanders hin!“ Die Weisungsbefugnis eines Skippers ist, besonders bei einer angeheirateten Crew, doch äußerst eingeschränkt! Zum Glück gerieten wir wieder mehr und mehr unter Landabdeckung, so dass die Wellen kleiner und kleiner gerieten und somit meine Hauptsorge, das Querschlagen des Bootes immer unwahrscheinlicher wurde. Allerdings hatte ich Sorge um unseren Benzinvorrat, der durch die heftige Arbeit auf einen mageren Rest geschmolzen war. Wollten wir bei dem heftigen Gegenwind nicht schwer arbeitend kreuzen, so brauchten wir dringend Nachschub.
Der nächste größere Hafen Studsvik am Westufer des Tvären wäre wohl zu weit gewesen, so entschlossen wir uns, unser Glück in Kallvik (58°46,7`N 17°28,9`E) zu versuchen, ein Hafen vor der nordöstlichen Einfahrt in den Tvären. Den Ort als Hafen zu bezeichnen ist bei genauem Hinsehen vermessen, vielmehr entpuppte er sich als ein Parkplatz für Anwohner, die ringsum auf einer der Schären ein Sommerhäuschen besitzen. Daher bietet der „Hafen“ auch keine Versorgungsmöglichkeiten und schon gar keine Tankstelle. Zum allem Überdruss waren drei Bauarbeiter auch noch dabei, den ausladenden Steg bis auf einen Stummel zu verkürzen. Immerhin war der „Hafen“ auf diese Weise besetzt und gegen gute Worte und einige Büchsen Bier aus meinem Vorrat, waren die Arbeiter gern bereit, 5 ltr. des begehrten Saftes an uns abzutreten. So konnten wir es mit ruhigen Gewissen wagen, gegen den Wind über den Tvären zum nächsten Naturhafen Stendören (58°44,8`N 17°23,8`E) zu kommen. Dieser Ort, so hatten uns die Arbeiter versichert, sei ein unbedingt sehenswerter Anlaufpunkt. Wie Recht sie hatten, zeigt allein die Tatsache, dass wir einen vollen Tag dort verbrachten.
Nach all den Tagen, in denen wir den ständigen und engen Kontakt mit dieser Inselwelt gelebt hatten, war die didaktische Aufbreitung der geologischen Gegebenheiten mit der dort lebenden Fauna und Flora in der Naturkundlichen Station ein Erlebnis, auch, wenn diese in teilweise sehr simpler und robuster Ausführung erfolgte. Rings um diese Station in Stendören erstreckte sich parkähnlich und von Wegen und Brücken erschlossen, noch mal die Inselwelt im Miniaturformat. Die Übernachtung in diesem Reservat war ausschließlich nur auf Booten und Schiffen gestattet, so dass sich gegen Abend das Gelände deutlich leerte. Als Servis für die Anwesenden hatte man auf besonderen Plätzen feste Lagerfeuereinfriedungen errichtet, und um das unkontrollierte Holzen zu unterbinden, lagerte daneben, gut überdacht, Scheite und Papier. Von einem Aussichtsturm am höchsten Punkt des Reservates ließ sich das Gelände und die vorgelagerten Schären gut überblicken. Als Abschluss unseres Törns bekamen wir so noch mal alle Eindrücke in komprimierter Form vermittelt.
Nyköping (58°44,8`N 17°01,1`E), unser Ausgangspunkt war nun in unmittelbare Reichweite gerückt und durch die gut ausgetonnten Wege zwischen den Schären hätte es schon knüppeldick kommen müssen, um unsere Rückkehr zu Trailer und Auto zu verhindern. Nur die Tatsache, dass wir auf keinen Fall noch mal eine Mittwochnacht bei Krawall und Wellenschlag im Hafen liegen wollten, ließ uns an unser ersten Station Langskär nochmals festmachen, um noch einen letzten Sonnenuntergang zu genießen. Immerhin hatten wir, nach unserer Logge gut 227 sm zurückgelegt, davon ca 35 sm unter Motor, dank überwiegen guter Winde.
Zusammenfassend hoffe ich, dass mein Bericht über die 14 Tage im Juli (5. – 19. 7.06) nicht zu lang geworden ist, obwohl viele Erlebnisse, Eindrücke und Bekanntschaften unerwähnt bleiben mussten. Ich möchte den Leser dieser Zeilen ermutigen, derartige Abenteuer zu versuchen, auch wenn ihm, wie uns, nur eine ziemlich kleine Yacht, zu Verfügung steht.
Mit seglerischem Gruß Euer Vereinskollege Stephan