Bangen bis nach dem Start.
Der erste Plan war schon etwas her, dann galt es Zeitraum, Crew und Yacht zu finden.
Alles hängt erschwerend mittelbar zusammen: Eine Yacht sollte der Crewgröße entsprechen und auch für den vorgesehenen Zeitraum (bezahlbar) zur Verfügung stehen. Die Crew muss in diesem Zeitraum auch frei nehmen können.
Ach so: der Plan beinhaltete außerhalb der Ferienzeit von Dänemark und NRW einmal Jütland und ggfls. zugehörige Inseln zu umrunden.
Eine rekursive Vorgehensweise führte zu folgender Lösung:
Eine 36″ Yacht ab Heiligenhafen für vier Wochen gechartert. Stammcrew: Ingo als Schiffsführer und Ekkes als Stellvertreter. Drei Mitsegler, Fritz, Peter & Ritchi, sind die ersten zwei Wochen an Bord, und wechseln dann gegen zwei andere, Dirk-Uwe & Marcus. Tauschen dann Koje gegen PKW – Bedingung dänisches Festland.
Charter-Vertrag unterschrieben, Großeinkäufe getätigt, Seesäcke gepackt, Seekarten besorgt (Dank an dieser Stelle für die Unterstützung durch den Fahrtenseglerobmann) sowie Gezeiten-Material und Routen durchgesprochen. Was kann da noch schief gehen?
Kurz vor Abfahrt ist der Schiffsführer „Corona Positiv“ !
Kurzfristig Video-Konferenz einberufen: erneut Pläne von A bis E entworfen und durchgespielt.
(schon mal vorweg: es gibt eine Bildergalerie zum Törn.)
Plan A: Restcrew 1 übernimmt die Yacht ohne Ingo wie geplant, startet in Heiligenhafen und bleibt bis auf Weiteres in Tagesdistanz zu Kiel. Kiel, weil leicht per Bahn erreichbar, der Bahnhof fußläufig zu schiffbarem Gewässer liegt und der Nord-Ostsee-Kanal mit Einfahrt Holtenau greifbar nahe liegt.
Würde die Infektion länger dauern, dann Schwenk auf Variante B: wir bleiben in der Ostsee.
Los geht es: Anfahrt mit 2 PKW fix, Schiffsübernahme und Verstauen von Allem in Rekordzeit. Abends Gedenken beim Griechen an den zu Hause gebliebenen.
Sonntag 8.5. Sicherheitseinweisung, Auslaufen und Check von Yacht und Crew mit allen erdenklichen Manövern auf der Westseite des Fehmarn Sund. Die Nacht wird in Orth verbracht.
Montag früh Anruf: C-Test noch positiv.
Also raus Richtung Maasholm. Winde unstetig. Gennacker wird dennoch soweit möglich benutzt! Die Crew wird immer eingespielter. Yacht und Crew harmonieren.
Dienstag: Anruf C-Test negativ! Der Bahn-Anfahrt steht nichts im Weg.
Wir kreuzen zwischen Land und Sperrgebiet Schönhagen in netten kleinen Zweierkämpfen mit taktischen Manövern Richtung Süd und können später auf Ost-Tonne Kleverberg anliegen. Unser unstetiger Kurs in den Böen vor der Eckerförderbucht irritiert die gut eine halbe Meile entfernte luvwärtige Thor Heyerdahl, die laut AIS ein Training Ship ist., so dass sie per Funk um Kooperation für ihr anstehendes Manöver bittet.
Anruf: Ingo wird in gut 1 1/2 h am Kiel Hbf ankommen.
Aufkreuzen der Kieler Förde entfällt somit und unter Maschine geht es bis unmittelbar vor die Hörner Brücke am Bahnhof Kiel.
Den Anleger an der Spundwand kann Ingo nicht abwarten und betritt beherzt von der Spundwandleiter unsere Yacht. Die Besatzung ist vollzählig. Großes HALLO!
Weitgehend unter Segel geht es unter Abwettern einer kräftigen Regenschauer, welche für uns wie Freudestränen vorkommen, nach Laboe.
Der geplante Törn kann beginnen!
Mittwoch früh erst Warten an der Südschleuse Holtenau. (Info: die kleinen alten Schleusen sind seit Jahren bis auf lange Zeit nicht mehr in Betrieb.).
Die lange 100 km Motor pflichtige Fahrt Richtung Brunsbüttel beginnt. Zu unserem Leidwesen mit kräftigem Gegenwind, der ein unterstützendes Segeln nur mal kurz testweise in dem einen oder anderen Bogen zulässt. Für Abwechslung sorgen die großen Pötte und das Farbenspiel an den Signalmasten, welches für uns glücklicherweise auf dieser Fahrt keinerlei Einschränkungen bescherte, aber auch die Fähren, sowie insbesondere die Schwebefähre unter der Rendsburger Hochbrücke .
Pünktlich eine halbe Stunde vor Ende der erlaubten Sportboot Fahrzeit fest in Brunsbüttel
Donnerstag fängt das Spiel mit dem Navigieren mit der Tide an:
Wir wollen natürlich mit abfließendem Wasser die Elbe runter. HW Brunsbüttel gegen 10:30 MESZ, der Strom kentert aber erst gut eineinhalb Stunden später. Wie lange wird das Schleusen dauern? Also frühzeitig, ablegen, 10:40 bestimmt der Schiffsführer!
Die alte Süd-Schleuse macht für uns schließlich um 11:40 auf! Keine viertel Stunde später geht es raus aus der Schleusenkammer auf die Elbe. Erst im freien Fahrwasserbereich merken wir nach und nach den zunehmenden Strom. Bei der Einfahrt Cuxhafen Yachthafen nach ca. drei einhalb Stunden setzt der Strom so ordentlich, dass eine Motoryacht vor uns nach dem 3. Versuch aufgibt. Mit richtigem Vorhalten nach Landpeilung (ca. 40° !) und beherztem Gasgeben kommen wir ins Stillwasser des Hafens. Gemeinsamer Restaurantbesuch rundet den Tag ab. Aber zumindest ein Teil der Crew muss früh in die Koje, denn …
Freitag der 13. 5. ist um 03:30 Wecken für drei von uns Seglern angesagt um nach fliegendem „Frühstück“ im Dunkeln abzulegen. „Eigentlich“ wäre noch früher besser gewesen, um den besten Ebbstrom nutzen zu können, aber wir wollen zumindest auf nennenswerten Gegenstrom auf dem Schlag nach Helgoland verzichten. Um 04:20 mit viel Gas raus in die vorbei rauschende Elbe und die Dunkelheit.
Auf Bb. nahezu stehende Peilung zu einem wunderhübschen Lichterbaum – nicht zu übersehen – zumindest das Rot-Weiss-Rot und auf beiden Seiten Grün über Grün. Seine Positionslichter sind im sonstigen Lichtermeer nicht wirklich auszumachen.
Dann an Stb., beim ersten Hinschauen nicht ganz so auffällig, aber nicht minder bedrohlich, auch in stehender Peilung etwas sehr Großes mit der schwachen Silhouette eine Container-Frachters. Ist wohl besser erst mal auf der grünen Seite, am Süd-Ufer, etwas Strom-ab zu fahren. Aber nicht zu lang, denn da ist noch eine Menge andere Positionslichter auszumachen.
Kaum drei Minuten später scheint ein guter Zeitpunkt gekommen: Fahrwasser so schnell wie möglich kreuzen um auf die rote Seite zu kommen. Der Plan geht auf: die beiden ganz Dicken passieren unsere Vorausrichtung wenige hundert Meter vor uns, und alsbald darauf die Armada der Anderen unser Kielwasser. Peter kann sich beruhigt in die Koje zurückziehen.
Jetzt nur noch dem Tonnenstrich folgen, in die Norderelbe abzweigen (mittlerweile ist der Schiebestrom auch versiegt) , den Sonnenaufgang genießen und endlich auch Segel setzen. Ein Anlieger bis zum Ziel ist leider nicht möglich und Höhe kneifen kommt bei dem Seegang nicht in Frage – Wind zunehmend bis Anfang 6 Bft.. Ein halbstündiger Holeschlag nahe Helgoland löst das Problem. Nach 7 1/2 h liegen wir am Schwimmsteg nachdem das ausrauschende Roll-Groß beim ersten Bergeversuch für etwas Spannung sorgt..
Der Samstag steht zunächst unter schlechterem Stern: Nach dem Frühstück eine familiäre Nachricht für ein Crewmitglied, die es erforderlich macht mit der nächsten Fähre den Törn zu verlassen. Nach kurzer schmerzlicher Verabschiedung müssen wir an der Ostmole außen vorbei in in den „Binnenhafen“ zur Bunkerstation verholen.
Dort wartet eine große niederländische Motoryacht auf einen Segler, der seine übliche Pfütze Diesel tankt und kurz drauf fertig ist. Die Motoryacht legt an. Wir müssen geduldig warten, bis er seine beinahe 1400 Liter (!) gebunkert hat. Eine knappe Stunde hat es gedauert. Wir begnügen uns mit 54 Litern steuerfreien Diesels.
Auf geht es ´gen Nord: der neue Wachplan hängt aus, Kurs und Ziel sind klar. Anfangs noch etwas Schiebestrom bei nicht allzu kräftiger Brise bringt uns auf weit über 6 kn. Zum Abend weniger Strom. Mit meiner Wache ab 01:00, etwa auf der Breite von Kampen auf Sylt, sind wir wieder fixer unterwegs. Der leichte Gegenstrom im Fahrwasser nördlich Fanø kurz vor dem Ziel ist lästig. Gegen 10 Uhr Vormittags fest in Esbjergs neuem, noch nicht ganz fertig gestelltem Yachthafen.
Von jetzt an stellt sich fast Routine an Bord ein – wenn da nicht die eine oder andere Herausforderung wäre:
– Suche des optimalen Zeitfensters für die Tidenströmungen Fanø UND den Slugen Kanal -> Auslaufen 04:40 ist der beste Kompromiss.
– Über 1 Meter minder Wassertiefe gegenüber aktuellen LAT der Seekarten und Hafenhandbuch in Thorsminde: -> Wir werden zum Schlickrutscher
– reiner Fischereihafen ohne Versorgungsmöglichkeit in Hanstholm -> zwischen zwei Fischern kann man sich quetschen
– ungeschickt verzurrte Heckbojen im noch im Winterschlaf befindlichen Yachtsteg in Hirtshals -> Leine in Schraube
Alles kann stressarm, unkompliziert und seemännisch gelöst werden.
Donnerstag 19.5.: Jetzt nur noch die letzten 35 sm um wie geplant in Skagen den Geburtstag von Fritz und den Teilcrewwechsel zu feiern!
Leider enttäuscht Jütlands nördlichster Zipfel mit Dunst und teilweise Nebelfeldern, so dass sich der Leuchtturm nur schwach abzeichnet. Die schwer auszumachenden Fischerfähnchen dagegen benötigen eine gewisse Aufmerksamkeit bei der schlechten Sicht.
Hier in Skagen jetzt erste aktive andere Segler – bisher waren wir nach Helgoand bis auf eine Begegnung in Hanstholm mit einem Norweger alleine. Tatsächlich in Skagen auch ein Deutscher, wenngleich auf einer Dänischen großen Yacht.
Crew 1 nutzt die Liegezeit zunächst für einen Stadtbummel und am Freitag für einen ausgiebigen Fußmarsch bis zur spektakulären Landzunge Grenen. Auch Aufklaren der Yacht für die nächsten Segler, Vorbereitungen zum von Bord gehen von Crew 1 und Aussuchen eines Restaurants für unser „Bergfest“ und Feier ist angesagt.
Mit perfektem Timing treffen sich die mit PKW angereiste Crew 2 um 14 Uhr mit den Fußmarschleuten vor dem Yachthafen. Der Gepäcktausch und Nachproviantierung ist relativ schnell über die Bühne gebracht und die Geburtstagsfeier mit dem Highlight des gemeinschaftlichen Dinnieren ist ein echter Höhepunkt.
Im zweiten Teil des Törns stehen zwei Dinge im Vordergrund: wie geplant das Positive – mit vielfältiger und variationsreicher Koch- und Speisenkunst unseres Smut auf der einen Seite -, aber auch das weniger Schöne, die sich nach dem Abstecher nach Göteborg Innenstadt entwickelnden Wetterlage.
Sie zwingt uns zu drei Hafentagen auf Læsø und daraus resultieren dann später unerfreulich viele Motorstunden bei ungünstigen bzw. schwachen Winden.
Also: Trotz der entfernt sich abzeichnenden Wetterlage – man weiss ja Tage zuvor nie wie es wirklich wird – geht es von Skagen erst mal raumschots quer über das Skagerrak nach Göteborg – vorbei an unterschiedlich großen Über- und Unterwasserfelsen und auf den letzten 10 Seemeilen teilen wir uns das Fahrwasser mit Frachtern nahezu jeder Größe.
Hafentag in Göteburg – wir liegen in unmittelbarer Nähe zum Zentrum- , dann ein schneller Ritt nach Læsø .
Dort zieht in den frühen Morgenstunden unseres Hafens Østerby eine Front mit großer Niederschlagsmenge und Böen durch. Die Crew will kaum die Kojen verlassen. Später am Tag wird schnell getankt und die Yacht nach Vesterø im Westen der Insel verholt.
Im Anschluss an die drei die Sturm-Tage musste mangels geeigneter Winde nicht unerheblich unter Maschinenfahrt „Süd“ gemacht werden um aufzuholen (Grenaa, Samsö, Kerteminde) . Jetzt endlich ging es wieder teils bei recht frischer Brisemit mehr seglerisch (Omø , Spodsbjerg, Orth) zurück nach Heiligenhafen.
Zwischendurch noch die Geburtstagsfeier unseres Schiffsführers mit einer extra Ration Gin Tonic!
An dieser Stelle ein Hinweis: wer mehr über das Kulinarische des Törns erfahren und auch noch andere Bild- und Videoeindrücke einsehen möchte sei auf die Galerie hingewiesen.
Fazit: Knapp 850 sm haben wir über Grund zurück gelegt.
Ein Handycap waren die schwachen Batterien der Yacht: ohne Kühlschrank bzw. Autopilot oder anderen Stromfressern war nach max. 6 Stunden Segeln Nachladen mit der Maschine angesagt.
Der Bord-Kartenplotter zeigte mangels installierter Karten ab Brunsbüttel bis südlich Grenaa nur schemenhaftes Szenario. Dank umfangreichen mitgenommenen Karten- und Navigationsmaterials in keiner Weise eine Einschränkung.
Kleine elektrische Probleme konnten wie immer kurzfristig behoben werden. Die neun Jahre alte Yacht war technisch bis auf das Genannte sehr zufriedenstellend, in recht gutem Zustand und vernünftig ausgestattet.
Die Temperaturen auf See und auch des Nachts waren dank guter Vorbereitung noch gut zu ertragen, nicht zuletzt weil kräftiger Regen bis auf eine Ausnahme nur zu Liegezeiten nieder ging.
Die Hafentage ob freiwillig oder nicht wurden für verschiedenartige abwechslungsreiche Landausflüge genutzt.
Ekkes als Co Skip der Grey Pearl.