Ende Juli 2022 war es so weit: das Ostsee-Flottillentraining von und nach Heiligenhafen rund Falster und Lolland startete. Elf Clubmitglieder waren auf den Booten „Neela“ und „Yucabay“ , beides Bénéteau Oceanis 38.1 Segelyachten, eine Woche unterwegs.
Um es mit den Worten eines Besatzungsmitgliedes vorweg zu nehmen: „Das war ein richtig schöner Törn. Ich bin noch ganz voll davon, und mich hat das – endlich – wieder auf andere Gedanken gebracht. … Und vielen Dank an alle für Gutmütigkeit, Hilfsbereitschaft und das unermüdliche Hervorsprudeln guter Laune!“ Vielleicht sollten unsere Krankenkassen ernsthaft überlegen, Segelurlaube auf Krankenschein zu verordnen angesichts so viel positiver Resonanz.
Garniert mit einem Foto (Wasser, geblähte Segel, Kumulanten am Himmel, Land im Hintergrund), könnte ich den Bericht nun schließen. Aber dann vermag ich meinen VÖLLIG ERNST GEMEINTEN Ländervergleich nicht darzulegen.
Verglichen werden Frankreich, Deutschland und Dänemark. Wie erwartet, sticht unser westliches Nachbarland u.a. durch Eleganz, optische Harmonie und wohlklingende Namen hervor: schön anzuschauende Segelyachten, Hingucker halt, und fließende Wörter wie „Bénéteau“ (langes und leicht nach oben gezogenes O am Ende), der Werft der gecharterten Yachten. Wie spröde klingt da doch „Bavaria“ (abgehackt, hart gesprochen, Stimme nach unten). Bei genauer Betrachtung hingegen stellt der geneigte Deutsche (m/w/d usw.) fest, dass alle Bordtüren für Menschen unter 180 cm geschaffen wurden, die Achterkabinen für zwei Personen nur in horizonaler Position geeignet sind (oh lálá) und das Umkleiden darin an die Verrenkungen der Laokoon-Gruppe erinnert. Dagegen legten die französischen Designer Wert auf große Betten, den hochgelobten Navigationstisch, eine große Vorderkabine mit Flügeltür und eine geräumige Plicht, letzte im krassen Gegensatz zur Enge der Sitzgruppe im Salon.
Unsere nordischen Nachbarn, deren Revier wir überwiegend befuhren und dort Häfen wie Gedser, Stubbeköbing, Femö, Spodsbjerg und Rödbyhavn anliefen, verstehen offensichtlich etwas anderes unter Begriffen wie „moderne Sanitäreinrichtungen“, „großzügig“ und „kräftiger Schwell der Fähren“ als unsereins. Das von uns getestete dänische Nationalgericht „Biksemad“ hingegen hat uns positiv überrascht.
Auch die Skipperkonzepte auf den Booten variierten. Auf der Yucabay war eher „in die Karten gucken lassen“ und Teilhabe an Skipper-Überlegungen angesagt. Auf der Neela hieß das Motto oft „Skipper of the Day“, will heißen, dass (fast) jeder sich einen Tag so fühlen durfte wie der wirkliche Skipper. Beide Ansätze haben etwas für sich, eine Wertung fällt mir schwer.
Völlig einig dagegen war sich die Neela-Besatzung, dass der zweite Platz bei der Ankunft im Hafen nicht erstrebenswert ist, also machte Yucabay eifrig mit beim Hase und Igel Spiel. Das Bild sagt in etwa aus: „Machen die den Anleger auch richtig? Aber bloß nicht schneller als wir!“
Das Inselhopping in der dänischen Südsee war je nach Sichtweise anstrengend oder sportlich, da sich die Meilensumme auf 213 nautische Einheiten belief. So erlebten wir Vieles unterwegs, und die Hafen(frei)zeit fiel entsprechend kürzer aus. Das Wetter war vielseitig, oft anders als noch Stunden vorher prognostiziert und des Öfteren verkehrt herum: sprich, die Windrichtung entsprach nicht den Segelwünschen, kreuzen hätte zu lange gedauert, und manchmal traf auch der Begriff Wind für die Luftbewegung nicht wirklich zu. 2,2 Knoten sind wohl eher als Hauch zu bezeichnen. Wenngleich dieses Ereignis die richtige Richtung aufwies, half auch der (nicht ganz flugs) gesetzte pinke Gennaker kaum.
Unterwegs wurden wir fleißig begleitet von Schweinswalen, Kormoranen, unzähligen schnabbelsüchtigen Schwalben in Hafennähe, Untiefen, Felsen, Fähren, Übungs- und anderen Sperrgebieten, Baustellen (Stichwort „Schweizer Käse“) mit Meldepflichten und sorgsamen, speedboat-fahrenden Baustellenwächtern (echte Kerle!!!), die der gerade an Oberdeck befindlichen weiblichen Crew äußerst charmant erläuterten, dass wir am Rand einer solchen Baumaßnahme führen, aber auf der richtigen Seite! Schwupp, waren sie wieder weg. Ich hörte noch: „Wenn bei denen ein Platz frei gewesen wäre, hätte ich ihn genommen“; und kurz darauf eine andere Stimme: „Zu spät“.
Auch zahlreiche echte Schiffe zwischen 100 und 300 m Länge, viele Segel- und das eine oder andere Sport- bzw. Fischerboot trugen stets zu wechselnden Horizonten bei. Sogar das Militär gab sich einen Tag geballt die Ehre, mit fünf großen Einheiten bis hin zum Flugzeugträger zu Wasser und einigen Kampfjets in der Luft.
Zwei heftige Unwetter sorgten in Burgstaaken für Hektik und nasse Klamotten. Einige Boote hatten weniger Glück als unser Flottillchen, das rechtzeitig festgemacht hatte. So leiteten wir einen Mayday-Ruf erfolgreich weiter und vernahmen einen weiteren, ohne wegen unverständlicher Koordinaten helfen zu können. Zwischen der Fehmarnsundbrücke und Heiligenhafen hat es zuvor einen Segler auf Legerwall an den Kiesstrand geschlagen, wo er mit 45° Schlagseite hoch auf dem Trockenen lag.
Was zählt? Viel neu erlangtes bzw. aufgefrischtes Wissen (Segelmanöver und -trimm, Gennaker setzen/bergen, An- und Ablegen, Umgang mit dem Kartenplotter, Kurse festlegen, Hindernisse erkennen und umschiffen, Logbuch schreiben, Tampenarbeit, Anlegen im Päckchen, Quer- und Fährverkehr beobachten und einschätzen), sehr viel gute Laune, trotz teils unpassender Winde viel Segelstrecke und nie Langeweile.
Text: Hans-Christoph T.
Fotos: Segelbesatzungen