„Das alles und noch viel mehr“ komponierte Rio Reiser vor einiger Zeit. Und als EIN Wort geschrieben, war das der Plan für’s Hafenmanövertraining. Aber es kam etwas anders.
Das Hafenmanövertraining der Saison begann wie üblich Ende März an einem Freitag. Anders als üblich war der Liegeplatz der Boote: Lemmer-Außenhafen Friese Hoek, weil der Vercharterer wegen einer Großveranstaltung am Rundhafen dort nicht genügend Boote zur Verfügung hatte.

Sechs Boote mit dreißig heißen SHM-Mitgliedern waren angemeldet. Die Vorbereitungen durch Vorbesprechungen, Chatgruppen, E-Mail-Infos und Themenabende sowie den Leinen-Werfen-Workshop waren abgeschlossen, die Sinne geschärft, Erwartungen und Vorfreude entsprechend groß.
Die Wetterprognose änderte sich, nichts ungewöhnliches an sich, in den Tagen davor kontinuierlich. Nur: Es war teils viel Wind angekündigt, woran sich wenig änderte. Mal ein bisschen südlicher, dann etwas nördlicher, manchmal heftiger, auch weniger. Auf Regen verzichtete Petrus weitgehend und schickte dafür wenige Wolken vor den blauen Himmel. Gut, es hätte etwas wärmer sein dürfen, aber naja.

An Bord der DISCO waren wir zu fünft gebucht, aber Georg musste leider kurzfristig aus gutem Grund absagen. Schade, aber sehr verständlich. Also hatten wir zu viert klarzukommen: Richard als Skipper, Reinhard als Co. sowie Dirk und ich. Sollte wohl klappen. Vorteil für mich: ich hatte die mit Georg eingeplante Vorderkabine für mich allein.

Nach einer kalten Nacht fiel es am Samstagmorgen nicht schwer aufzustehen, sich auf den heißen Kaffee und das lecker duftende Rührei zu freuen und den Ablauf des Samstags festzulegen.


Irgendwann nach 9 Uhr hieß es: „Leinen los!“. Die anderen Crews wunderten sich über unser unkonventionelles Ablegemanöver: Rückwärts aus der Box, weiter rückwärts nach Lee in die Boxengasse, dann im 90-Grad-Winkel zur Ausfahrt, um anschließend im freien Wasser den Bug in Fahrtrichtung bewegen. Die Frage nach dem Warum klärte sich bei der Besichtigung des Liegeplatzes: kein Platz nach Luv wegen einer Steinpackung und nur 3,5 m nach achtern, die 11,7 m Boot bereits berücksichtigt.



Der Tag verging schnell beim Vorwärts, Rückwärts, Aufstoppen, Auf-dem-Teller-drehen (was bei linksdrehender Schraube rechts herum nicht einfach war und viel Platz brauchte; links herum war der Teller nur Untertasssen-groß) und An- und Ablegen in seinen Varianten mit Wind von querab. Und nun? Boxen fehlten noch zur Übung. Also ab durch die große Schleuse nach Lemmer-Rundhafen. Dort waren viele Boote ausgeflogen und so kamen wir mit unserem Lernprojekt gut voran. Zum Abschluss, es war 17 Uhr, wollten wir durch Lemmer-City, unter den Klappbrücken hindurch, zur alten Schleuse. Das war ein Satz mit X, da die Brücken und Schleuse noch nicht dauerhaft besetzt waren. Kurzerhand drehten wir um (das ging schon mal besser) und fuhren etwas durchgefroren denselben Weg Richtung Liegeplatz zurück. Eine Stunde und „einen Hosenträger“ später waren wir fest und bestaunten beim Nachbarboot TURTLE ein wirklich gelungenes Anlegemanöver in die Box ohne Hosenträger.
An die Bordenge mussten wir uns gewöhnen und die Manöverkoordination aller Art mussten wir noch trainieren. Die Fotos sagen mehr als Worte…



Die Wetterprognose für den nächsten Tag war wenig verheißungsvoll: 5-6 Bft. aus West, in Böen bis 8 Bft. Und bereits am Samstagnachmittag frischte der Wind auf, um mit Einbruch der Dunkelheit unheimlich anmutende klabautermannhafte Geräusche im stehenden und laufenden Gut zu verursachen. Schlafen ging im inzwischen aufgewärmten Boot nach Bier und Wein sowie leckerem Chili con carne gut, besonders, weil die DISCO bei den inzwischen heftigen Böen sachte hin- und herschaukelte.

Am nächsten Morgen orgelte es ordentlich, nicht nur im exponiert liegenden Außenhafen, und der Seewetterbericht des Deutschen Wettterdienstes kündigte sage und schreibe 2 m Seegang für das IJsselmeer an. Um halb 10 Uhr dann die Entscheidung: Alle Boote bleiben im Hafen den Boxen. Warum? Alle wären hohe Risiken mit An- und Ablegen quer zum Wind und der wirklich engen Boxengasse eingegangen. Warum sollten wir einen erlebnis- und lehrreichen Samstag mit einem Malheur am Sonntag abschließen?

Das Frühstück an Bord der DISCO dauerte etwas länger, das Geschnacke danach noch mehr. Dann etwas Kartenarbeit zum Thema „wie sähe heute eine Törnplanung Richtung Enkhuizen aus“. Anschließend Mittagessen, der leckere Kibbeling fehlte noch, packen und etwas früher als üblich Richtung Heimat. Trotz allem: Es hat viel gebracht, Spaß gemacht und Vergessenes aufgefrischt. Danke an die Crew und alle Organisatoren.
Nachtrag: Mehrere andere Yachten – nicht aus der SHM-Flotte – liefen trotz des Starkwindes aus und einige davon verursachten am eigenen und an anderen Booten teils nicht geringe Schäden, wie unsere Crewmitglieder ab Sonntagmittag beobachteten, als sie auf die Neuankömmlinge für den Wochenmittentörn warteten. Also: Wir hatten definitiv die richtige Entscheidung getroffen!
Hans-Christoph T. (Text)
Crew (Fotos)