
Die Wetternachrichten reden von einem Gewittercluster über Süddeutschland. Ob wir davon etwas im Bereich der Ostsee abbekommen? Während der Fahrt sahen wir Bilder von überfluteten Flugplatzvorfeldern und U-Bahnen in Frankfurt. Doch nein, wir konnten nur ein paar Tropfen zählen, ansonsten bescherte uns das Wetter eitel Sonnenschein mit blauem Himmel, leider zu oft auch keinen Wind. Die Ostsee hat ihr eigenes Wetter.
Der Freitag diente – wie so oft – zur Anreise, diesmal ging es nach Greifswald an die Ryck. Dort lag der Yachtcharterer. Nach ca. sechs Stunden Autobahn und oftmals Stau kamen alle glücklich an und hofften, die Boote zügig beziehen zu können, aber zunächst knurrte der Magen. Also: Essen in der Gaststätte mit „gesalzenen“ Preisen; weniger macht auch satt.
Dann ab ca. 22:00 Uhr ging es los: Die Boote waren gesäubert und wir konnten die „Becks“, die „Freiheit“ und die „Nature“ mit Proviant und sonstigen schönen, auch flüssigen Dingen bestücken. Als dann noch die privaten Dinge des Seglerlebens verstaut waren, waren wir glücklich, zufrieden und müde.

Am Samstag fuhren wir zunächst von Greifswald nach Sassnitz. Ja, was kann schöner sein, als im Angesicht der Rügener Kreidefelsen bei ruhiger See in Ruhe draußen zu frühstücken. Das könnte ewig so weiter gehen, aber dafür waren wir ja nicht unterwegs. Wir wollten etwas lernen, und so gab es öfters kleine Einlagen wie zum Beispiel BÜB = Boje über Bord; diverse Wenden und Halsen komplettierten das Programm.
In Sassnitz angekommen, meinte die dortige Wasserschutzpolizei, man könne ja mal das arme Crewmitglied stören, das da kartoffelschälend an Deck saß. Sehr höflich, aber bestimmt wurde uns mitgeteilt, dass die Wasserschutzpolizei prüfen möchte, ob die Charterer ihren Job insbesondere im Hinblick auf die Sicherheit gut machten. So ging es fast 45 Minuten durch alle Höhen und Tiefen der Dokumentationen, bis zum Schluss das Thema Automatikwesten kam. Der Charterer muss alle Westen betriebsfertig übergeben, diese sind aber nur betriebsfertig, wenn die Patronen eingesetzt sind. Das war aber bei drei Westen nicht der Fall; wir waren ja auch nur sechs Personen, und die hatten alle private oder Charterwesten mit eingesetzter Patrone. Der Charterer bekommt wohl einen Liebesbrief, ansonsten war alles ok, und die Kartoffeln wurden danach zu Ende geschält. Nach einer schönen Nacht setzten wir am Sonntag zum ersten großen Sprung nach Bornholm an; Zielpunkt war die Marina Rønne. Ausgedehnte Windanlagenfelder lagen auf unserem Kurs, also immer am Rand lang erreichten wir nach vielen Stunden den Hafen von Rønne. Die Sonne schien den ganzen Tag, und erste Anzeichen von Sonnenbrand machten sich breit.
Am Montag hieß dann das Ziel Nexø. Im Hafen von Nexø hat die gesamte Crew ein Hafentraining durchgeführt; das hat wirklich etwas gebracht.

Dienstag wollten wir auf den sog. Erbseninseln Erbsen zählen. Aber nein, Christiansø entpuppte sich als ein idyllischer Ort, der auch entsprechenden Zulauf bei den Seglern hatte. Liegeplätze im Viererpack scheinen dort normal zu sein. Nach einer kleinen Erkundung der Insel Christiansø fuhren wir weiter zum Hafen von Gudhjem auf Bornholm. Dort hatten wir keinen Landstrom, dafür aber sehr leckeres Eis, was durchaus Zuspruch fand.
Am Mittwoch erreichten wir unser letztes Ziel beim Törn rund um Bornholm: den Hafen von Hasle. Nach einer gemütlichen Runde an Deck wurde verkündet, dass wir am nächsten Morgen ohne Frühstück um 05:00 Uhr auslaufen wollen, da wir am Donnerstag die längste Tour vor uns hatten. Schnell verbreiteten sich gewisse Schlaftöne an Bord und jeder versuchte, für den kommenden langen Tag gewappnet zu sein.
Am anderen Morgen polterte es schon weit vor 5 Uhr – schnell noch duschen und die Toilette erledigen, bevor es los ging. Der Ordnungsruf des Skippers katapultierte auch die letzten beiden Duschkönige aus dem Häuschen und ab ging es in die aufgehende Sonne hinein. Irgendwie hat uns der Wind immer gemieden, jedenfalls mussten wir ca. ¾ der Strecke unter Motor fahren, dies gepaart mit einem seitlichen heftigen Geschaukel, dass für den einen oder anderen recht anstrengend wurde.


Bornholm verschwand am Horizont, die Sonne knallte von oben, der Motor lief und lief, und die Windradfelder kamen in Sicht – alles imposant zu sehen. Und dann grüßte uns Rügen aus der Ferne, wir näherten uns langsam dem Festland. Der Hafen von Gager sollte unsere letzte Station sein. Bei der Anfahrt auf den Hafen meinte der Wind plötzlich, alles zeigen zu müssen, was er kann. In der Spitze erreichten wir 7,2 Knoten – geht doch.
Am nächsten Morgen war die Rückreise nach Greifswald angezeigt. Auf der Fahrt dahin flog noch so manche Boje über Bord und sogar eine MÜB-Übung kam dazu. Dazu verlor ein Segelkamerad seine Mütze und diese schwamm dann rot leuchtend in der Ostsee. All hands on deck – jetzt galt es, die Mütze wieder zu erreichen, bevor sie endgültig unterging. Hat aber alles funktioniert und die Mütze war sauberer als vorher.
Wir hatten bis zur Brückenöffnungszeit genug Zeit eingeplant, um noch ca. drei Stunden Hafenmanöver absolvieren zu können und ohne Stau das Boot wieder aufzutanken. Jetzt wurde es wieder hektisch, aber das kennt man ja schon: Ausladen des Proviants und des Gepäcks, staunende Gesichter über die Menge der leeren Bierdosen („Waren wir das????“). Und zu guter Letzt machte das sorgfältig ausgefüllte Logbuch der „Becks“ vom Tisch am Oberdeck die Flatter in das kühlende Nass. Panik und Hektik wurden durch den beherzten Sprung eines mutigen Segelkameraden beendet, und das wichtige Dokument bekam wieder Luft und Sonne. Aber wie bekamen wir nun den Segelkameraden wieder aus dem Wasser? Eine kleine, aber feine Strickleiter verhalf ihm wieder an Deck. Einige waren etwas neidisch, denn es war wohl eine nette feine kleine Abkühlung, und so manch anderer wünschte sich diese wohl auch.

Was gab es sonst noch? Highlight für uns alle war sicherlich die leider zu kurze Segelstrecke mit dem Gennaker. Alle konnten ihr Wissen auffrischen, so wechselten sich Segel- und Trimmmanöver und Hafenübungen mit Tampenarbeit ab. Der „Kapitän of the Day“ konnte sich einen Tag mit der Skipperrolle befassen und Kurse festlegen. Unsere 301 nautischen Meilen mit oftmals zu wenig Wind haben uns trotzdem den Alltag vergessen lassen; bei den Temperaturen machte die „dänische Südsee“ wieder ihrem Namen alle Ehre.
Voller schöner Erinnerungen und für mich persönlich mit der Gewissheit, neue (Segel-)Freunde/ Kameraden gefunden zu haben, machten wir uns wieder auf den Heimweg. Gute sechs Stunden später waren die meisten wieder zu Hause, der Boden unter den Füßen bewegte sich noch manchmal, aber das geht vorbei.

So endete der Ostseetörn 2023; aber bekanntlich ist nach dem Törn wieder vor dem Törn.
Text: Alfred Mevenkamp
Fotos: Segelbesatzungen